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Mai 2004 - Wie's denn noch so geht?

Das wollen sie alle gern wissen nach unserer Rückkehr aus Rumänien. Sie - das sind so viele: Bekannte und Fremde, Freunde und Interessenten, Förderer und Neugierige, aber alles Helfer derer, die wir besuchen konnten. 1500 Kilometer entfernt sehen wir uns noch Ihren Gesichtern, Verhältnissen, Fragen und Situationen, Freuden und Tränen gegenüberstehen.

Wenige Tage ist es erst her, dass wir eine kurze Zeit mit ihnen teilen konnten. Für uns waren es Urlaubstage, für sie oft Feiertage. Zeit miteinander teilen, wo für vieles keine Zeit mehr bleibt - ist das sinnvoll? Wie's ihnen noch so geht, unseren rumänischen Freunden und alten und neuen Bekannten - diese Frage möge jeder Leserin und jedem Leser dieses Reiseberichtes das Bild beantworten, welches wir damit zeichnen wollen. Manches wird bunt und farbenfroh erscheinen, wie die Bilder der westlichen Werbung an allen großen Straßen und in den Städten des Landes, aber auch unsere Erinnerungsfotos. Anderes wird mit Kohle oder Bleistift gezeichnet sein, wie die tagtäglichen Verhältnisse derer, die nicht als Gewinner in einem sehr zweifelhaften Demokratieprozess bezeichnet werden können und deren kleine Kraft nicht bis in die Spitzen der Ellenbogen reicht.

Wie's ihnen so geht? Vielleicht haben wir einen kleinen Einblick in ihr Leben nehmen dürfen, so, wie einen Blick durchs Schlüsselloch zu werfen. Die Realität dahinter ist weitaus mehr, das ist uns klar. Unsere sieben Reisetaschen, für jeden eine, war das letzte, was am fünften Mai in der Mittagsstunde in den zwei Kleinbussen verstaut wurde. Persönliches Gepäck für zehn Tage Rumänien, mit Mühe wurde es noch verstaut auf Lebensmitteln, Medikamenten, Werkzeugen, Kopierer, Schulsachen und Ranzen, Schuhen und Kleidung. Vorsicht war geboten wegen der Osterhasen und empfindlichen medizinischen Geräte. Tische, Fahrräder und Kinderbett waren nicht so empfindlich.

Gemeinsam mit zwei Organisatoren der Tabarzer Initiative, die uns seit einem halben Jahr tatkräftig unterstützt und in diesem Zusammenhang auch den zweiten Kleinbus organisierte, stehen wir nach 17 Stunden und gut passierten Grenzkontrollen auf rumänischem Boden. Die Freude des Wiedersehens mit der Familie des Pfarrers in Temeswar und ein ausgiebiges, landestypisches Frühstück lassen uns den Platzmangel im Auto und die steifen Beine vergessen. Wir genießen es, bevor die meisten in einen ausgiebigen Vormittagsschlaf fallen.

Der kleine Sohn wird in den Kindergarten gebracht, wo ein sehr intensiver Chlorgeruch von soeben gesäuberten Toiletten die Schleimhäute reizt. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass die Kinder hier gut betreut und auch gefördert werden. Nach der Besichtigung der neuen Elektroinstallation in der Kirche, bzw. das, was davon noch zusehen ist, machen wir den Plan für die nächsten drei Tage, telefonieren und klären einige Termine. Das Kennenlernen der Stadt ist für unsere Erstreisenden eine gern wahrgenommene Pflichtübung. Die renovierte Kathedrale erstrahlt im neuen Glanz. Etwas eigenartig leuchten die auf goldverzierten Einbauten sauber verlegten, weißen Kabelkanäle für neue Sicherungstechnik in der etwas mystisch-dunklen Atmosphäre dieser Kirche. Technik, die (nicht nur!) begeistert, hält Einzug. Die Stadt pulsiert eben wie eine Großstadt. Von Autos verstopfte Straßen, in jeder Hand ein Handy, schicke Garderobe und nicht endend wollende Absätze der von Damen getragenen neuesten Schuhmode vermitteln das Flair einer in Europa schon fest integrierten und funktionierenden Metropole.

Der Besuch in der Praxis des Arztes, der die Gemeinde unentgeltlich unterstützt, macht uns Mut. Mehrere Spezialisten arbeiten hier unter einem Dach. Die Funktion des von uns aus Dresden beschafften Ultraschallgerätes wird uns am Innenleben des Pfarrers dokumentiert.

Vieles wird hier in der Fabrikstadt gebaut. Seit zwei Jahren werden die neuen Straßenbahngleise

verlegt, zwei Meter tiefe Gruben ohne Absperrung und noch höhere Haufen wild durcheinander liegender Baumaterialien zieren das Straßenbild rund um die Praxis. Wie sich auch ältere Menschen hier gefahrlos bewegen können, bleibt ein Rätsel, da selbst die junge Frau des Arztes noch vor zwei Wochen bis über die Knie im frischen Beton versunken war. Aber, was kann man machen!?

Die Besuche bei älteren Gemeindegliedern führen zuerst wieder zu Frau Gindel, der die Freude des Wiedersehens sofort im Gesicht geschrieben steht. Aber doch ist es etwas anders. Ihren Gasherd und die Flasche musste sie verkaufen, weil die Medikamente so teuer sind und der Kühlschrank hat sein überlanges Leben gerade jetzt vor der warmen Jahreszeit auch aufgegeben. Wir können weiterhelfen, einen Tag später funktioniert der Herd und auch ein Kühlschrank wird aus zweiter Hand gekauft.

Frau Rück wird als nächste besucht. Mit einigen achtzig und fast auf sich allein gestellt, erlebt sie ihre Umwelt kaum noch bewusst. Fortschreitende Demenz hilft ihr, so traurig das auch ist, wahrscheinlich ein wenig, dem Druck des Alltäglichen ihre schwache Kraft entgegenzusetzen. Was sie für Medikamente benötigt? Natürlich keine mehr!

Als letzter wird dann Gusti-„Batschi“ (ungarisch: Onkel) besucht. 94 ist er und so das älteste Gemeindeglied der Kirchgemeinde. Mit der Freundlichkeit eines Gentlemans bittet er uns herein in die kleine Wohnung in der siebenten Etage im Block. Straßen hat er sein Leben lang im ganzen Land gebaut. Er war Spezialist für Brechmaschinen und Asphaltieranlagen. Er schwärmt so davon, dass wir den Eindruck bekommen, dass er sofort weiter arbeiten könnte. Manchmal fallen die Jahrzehnte etwas durcheinander, die weiße Pudelmütze aber steht fast wie ein Wahrzeichen auf dem Kopf. Ob er's denn gut gemacht hat, fragt er noch den Pfarrer beim Abschied, etwas unsicher, aber doch sehr erfreut über den Besuch aus Deutschland und auch über die kleine Tüte.

Beim reichlich und liebevoll durch die Presbyter ausgerichteten Abendessen werden viele Gedanken ausgetauscht und Dinge beleuchtet. Es gibt Gelegenheit über alles zu sprechen, was man wissen möchte, Grüße werden überbracht und auch einfach nur ein wenig „getratscht“, wie es hier heißt. Am Samstag steht schon am Morgen der Arzt in der Tür und übernimmt mit Freude die vielen Medikamente und Geräte. Jede Schachtel ist eine große Hilfe für einen Menschen, das sagt er und wir sollten im Laufe der Reise noch einiges mehr darüber erfahren. Gemeindeglieder werden hier unentgeltlich versorgt, ein heller Lichtblick für viele, deren Namen uns auch hier oft genannt werden.

Der Besuch einer Abendveranstaltung zum 10-jährigen Bestehen des Gutenbrunnhauses, Altenheim und Sitz des Deutschen Forums im Banat, ausgestaltet durch Chöre und Tanzgruppen, und das anschließende Abendessen bei der Sekretärin der Gemeinde runden auch diesen Tag mit vielen Eindrücken und Freundlichkeiten ab.

Was am Samstag mit den Jugendlichen der Gemeinde eingeübt und geprobt wurde, kommt am Sonntag im Gottesdienst zum Einsatz. Neue Lieder beleben hier nicht nur den Gottesdienst, sondern auch das Zusammensein mit den Jugendlichen. Gern tragen sie dann auch die Gedichte zum Muttertag vor, den jeder hier noch richtig ernst nimmt.

Nach dem Gottesdienst wird dem Presbyterium Geld für die anstehende Sanierung der Kirche übergeben und wir erfahren, dass die erforderliche Summe jetzt vollständig ist und Anfang Juni mit der Arbeit begonnen werden kann. Ob das wichtig ist? Für die Gemeinde in Temeswar schon, denn schließlich ist hier die Kirche auch für viele eine Heimat und Mittelpunkt des Lebens; nicht nur, aber auch mit dem Gebäude, für das sich viele herzlich gern engagieren. Danke sagen sie uns auf vielfältige Weise, aber immer aus dem Herzen.

Dann geht die Reise weiter und nach drei Stunden stehen wir bei unseren Freunden in Hunedoara. Wer sie kennt, ahnt ihre Erleichterung bei der Ankunft. Große Freude in den Familien, aber auch in vielen Gesichtern im Dorf, vermittelt das Gefühl, hier ein Stück zu Hause zu sein. Essen, packen, vorbereiten und immer wieder erzählen und fragen, der Abend vergeht zu schnell und gegen zwei Uhr werden die letzten Lichter ausgeschaltet. Eindrücke und Momentaufnahmen aus dem Leben der Freunde schießen wie Blitze durch den Kopf: fehlende Medikamente für Kleinkinder, das Geld für verordnete Bananen, keine Aussichten auf Arbeit, ausgewanderte Kinder, eine im Sterben liegende Mutter, für deren Operation noch 750 Dollar Schwarzgeld zu zahlen waren und vieles mehr, das bewegt schon. Temeswar liegt hier weiter hinter uns als nur 180 Kilometer.

Am nächsten Morgen wird vor dem Schulbesuch noch ein Kalb geboren, Aussicht auf eine kleine Aufbesserung der chronisch leeren Kasse für eine Familie mit sechs Kindern und zwei Enkeln.

In der Schule werden wir schon erwartet und so manches Kindergesicht freut sich an diesem Tag sichtlich mehr, als die nicht erschienene Sonne. Jeder Einzelne ist wichtig, das erzählen wir den Kindern am Beispiel des Mannes an der Pauke im Neudietendorfer Benefizkonzert für die Kirchensanierung in der Heimat. Nicht jeder spielt die erste Geige oder hat so viel zu tun wie ein Musiker in den ersten zwei Reihen des Orchesters. Aber was wäre es für ein Konzert ohne den Mann an der Pauke gewesen? Nur durch das Zusammenspiel aller, jeder mit seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten, wird es ein wirklich schönes Konzert geben, auch in den Familien, Dorfgemeinschaften und Einrichtungen. Keiner ist zu klein, jeder ist gefragt. Auch die Eltern haben das vielleicht ein Stück verstanden. Wir haben unsere Reise genauso verstanden - mit den uns gegebenen Möglichkeiten zu helfen, weiterzugeben und Hoffnungen zu wecken. Das wird uns immer wieder klar. Süßigkeiten wechseln den Platz vom Auto in die Kinderhände und Freude darüber macht sich nun offensichtlich breit.

Mit der Lehrerin und der Kindergärtnerin gibt es noch einiges zu besprechen, Materialien für beide Einrichtungen werden übergeben und die Belege vom Geld des letzten Besuches vorgelegt. „Vielen Dank für alles was Sie hier machen und dass Sie uns nicht vergessen. Ohne diese Hilfe würde es hier anders aussehen.“ Oft hören wir hier den Satz und geben ihn an dieser Stelle gern weiter.

Weiter geht dann auch die Fahrt nach Balanu. Unterwegs besuchen wir noch kurz eine Familie mit neun Kindern und übergeben gern einige Pakete. Nur wenig Zeit bleibt, denn einiges liegt vor uns, nicht nur die knapp sechzig Kilometer.

Nach der Ankunft sehen wir uns, wie durch eine Zeitreise, zurückversetzt. Einige unserer Gruppe waren schon hier, andere noch nicht. Ausladen, sortieren, erklären, Quartiere suchen, essen - alles braucht seine Zeit.

Der nächste Tag führt uns in das 200 Kilometer entfernte Herrmannstadt (Sibiu). Ein Teil unserer Gruppe besieht sich die Stadt im Herzen Siebenbürgens. Hier pulsiert wieder normales Leben. Der andere Teil nimmt den vorher abgestimmten Termin im deutschen Altenheim mit der Heimleiterin wahr. Zwei junge Frauen begleiten uns, die hier im Herbst ein dreimonatiges Praktikum beginnen werden. Es soll der Vermittlung von Grundkenntnissen der Pflege und Hygiene mit dem Ziel der Weitervermittlung in Balanu dienen. Das gilt es persönlich vorzubringen, zu untermauern und abzuklären. Und es wird funktionieren. Mit dem grundsätzlichen Einverständnis verabschieden wir uns nach einer halben Stunde.

Das endgültige „Ja“ erreicht uns einige Tage später am Telefon. Allerdings muss noch die Wohnungsfrage geklärt werden. Die deutsche Zeitung der Stadt verweist uns an die Evangelische Kirche und hier verspricht uns der Pfarrer, bei der Suche mitzuhelfen. Leichter ist uns dann zumute, haben wir doch hier eine weitere Chance gefunden, Grundsätzliches zu erreichen, unabdingbar für dieses Dorf und seine Bewohner. Fremd fühlen sich die beiden jungen Frauen aus Balanu hier noch, sind sie doch bisher nicht über 50 Kilometer von ihrem Ort entfernt gewesen. Wer hätte es bezahlen sollen?

Am Abend stehen noch einige Besuche im Dorf an. „Hütte“ ist zwar das Wort für eine ärmliche Behausung, aber zu erleben, wie sechs bis zehn Personen ein Zimmer mit ebensoviel Quadratmetern bewohnen, ist eine Tatsache, die wir an diesem Abend sieben Mal wahrnehmen können . Hier stockt einem nicht nur der Atem, hier stockt auch alles, was wir bisher erlebt haben. Das sind Verhältnisse unter Menschen in Europa, auf eine Integration in die EU hoffend, die einfach nur erlebbar, nicht aber wirklich beschreibbar sind. Wir wollten sehen und hören, wie es ihnen so geht und wir haben es gesehen, gehört und ein wenig davon erfahren. Und jeder dieser Bewohner hat eine eigene Geschichte. Der 64-jährige Mann mit dem Prostata-Krebs zeigt uns stolz sein verschriebenes und teuer bezahltes Placebo-Wässerchen und die im Juli 2001 abgelaufenen Calciumkapseln. Die müssen noch reichen, neue kann er sich nicht mehr kaufen. Eine andere alte Dame zeigt uns unter Tränen das Bild ihres noch nicht ein Jahr alten Enkels, der gerade mit stark  aufgeblähtem Unterbauch im Spital in Klausenburg liegt, der Vater, der mit dort ist, kann die Operation aber nicht bezahlen. Eine Geschichte nach der anderen. Und trotzdem öffnen sie uns alle gern die Tür.

Einige Frauen haben für uns auf Bestellung 50 Körbe gefertigt, die wir zu Hause verkaufen möchten. Drei bis vier Euro pro Korb und pro Tag, es ist eine einmalige Gelegenheit, um etwas zu verdienen. Sie hatten nur zwei Wochen Zeit, da kein Brief aus Deutschland ankam, trotz der Geschenke an die Postfrau.

Vieles gibt es noch zu besprechen für die nächsten Tage, bevor weit nach Mitternacht das Licht ausgeht. Nur mühsam gelingt es einzuschlafen, nicht nur wegen der vielen Ameisen im Zimmer. Der nächste Morgen führt uns noch mal durch das Dorf und zu den Leuten in die Häuser. Die Körbe werden bezahlt und übernommen. Noch einmal berichtet uns die ältere Frau von ihrem Enkel, dem einzigen. Viel heller ist es nicht geworden durch den Verkauf ihrer sechs Körbe, nicht im Leben und nicht in der Hütte, deren Glühlampe an einer Seite von einer vergilbten  Zeitung abgedunkelt wird. Wenig Licht und viel Schatten, in den Hütten und  im Leben der Menschen hier, im Dorf Balanu. In viele Gesichter sahen wir und hörten die Geschichten und die Nöte, und trotzdem.... Im Hof  stehen nun vier Kühe, die fünfte wird jetzt geboren sein.

Die Sozialküche läuft auf vollen Touren und wir planen, wie es weiter gehen soll. Am Abend sind verschiedene Leute in die Kirche eingeladen. Für die Kinder ist ein Stockbrotessen am Lagerfeuer vorbereitet und alles, was Beine hat und laufen kann, erscheint hier. Kinder sorgen mit Zweigen und Bäumen für reichlich Materialnachschub für das Feuer und unsere Frauen mit dem Teig für das Essen.

In der Kirche wollen darüber reden, wie es weiter gehen kann. Wir machen deutlich, dass wir nicht zwei Wochen Zeit haben, um über die Probleme zu reden, wohl aber zwei Stunden, die wir nutzen wollen, die vorhandenen Möglichkeiten zu erforschen und zu aktivieren. Und es funktioniert zum Erstaunen aller. Nach zwei Stunden ist eine Liste erstellt, wer wann was machen kann und wie es weiter gehen soll. Kindergruppen, Tierversorgung, Schulhilfen, Arbeit der Kirchgemeinschaft, Hygiene, Sozialkantine und Sport sind die Hauptpunkte, denen Namen zugeordnet und so Verantwortlichkeiten zugewiesen sind. Es war mehr als ein Zusammensein bei Gebäck und Fruchtsaft. Sie selbst haben Möglichkeiten gefunden und Namen genannt. Hoffnungen wecken, die umzusetzen sind und voranbringen, das wollten wir erreichen an diesem Abend. Gebe Gott seinen Segen dazu.

Als alle gegangen waren und wir uns noch unterhalten, steht plötzlich ein Mann in der Tür. Er ist der Vater des Kleinen mit dem aufgeblähten Bauch. Er war kurz nach Hause gekommen aus Klausenburg. Hier fragt er uns, ob wir ihm helfen können, die Operation seines Kindes zu „finanzieren“. Dreihundert Euro, einhundert hat er schon.

Wir verabreden für den nächsten Morgen einen Zeitpunkt, um ihm Bescheid zu geben und er ist einverstanden. Während wir mit unseren Freunden noch darüber reden und überlegen, steht noch mal Andrej mit seiner Mutter im Hof. Ihn kennen wir schon von der Veranstaltung am Abend. Vieles tut er für die Küche und die Tiere, ohne um etwas dafür zu bitten. Sie erzählt und zeigt uns die Hautwucherungen in seinem Gesicht, die dringend operiert werden müssen. Aber sie kennt keinen Preis und verspricht, sich zu erkundigen. Nach ihrer Gesundheit gefragt zieht sie nur die Schultern hoch. Das Blutdruckgerät zeigt es: 204 : 108! Die letzten sieben Tabletten präsentiert sie uns. Sie kosten umgerechnet 27 Cent, zu viel um sich noch einige kaufen zu können.

Geld für die Kinderspeisung, für einige neu zu kaufende Hühner und den Aufenthalt in Sibiu übergeben wir hier noch, bevor wir uns zur letzten Nacht in Balanu hinlegen.

Wie jeden Morgen beginnen um sieben Uhr hinter dem Haus wieder die beiden Bauarbeiter mit dem Hobeln und Sägen des Holzes für den Ausbau des Daches. Abenteuerlich und gefährlich ist sie, die Arbeit an diesen Maschinen, aber es funktioniert. Beim Schweißen muss der Strom direkt von der Freileitung gezapft werden, damit der Zähler weiter brauchbar bleibt, und auch die kleine Familie am Dorfende zapft direkt, indem sie die dünnen Drähte mit einer vier Meter hohen Stange in die Freileitung einhängt. Sie haben kein Geld, um den Stromanschluss zu bezahlen.

Pünktlich steht dann auch der Vater des kleinen Jungen wieder da. Mit welchen Gefühlen? Wir schließen im Beisein vieler einen mündlichen Vertrag. Er bekommt das Geld für die Operation und er wird bis zum Beginn der Schulferien die Kühe hüten und Futter mähen. Gern willigt er ein, hat er doch sowieso keine Arbeit. Vier Tage später sollte operiert werden, hoffentlich mit Erfolg.

Den zehnjährigen Sohn unserer Freunde haben wir schon drei Tage nicht mehr gesehen, wir hatten für ihn ein Fahrrad im Gepäck. Das war mehr als ein Geschenk für ihn und erst spät am Abend kam er immer wieder damit nach Hause.

Nach Hause müssen auch wir wieder, ein wenig schmerzlich wird es uns am letzten Morgen hier bewusst. Die Körbe müssen noch eingeladen werden und „Auf Wiedersehen“ sagen wir. Wir sagen es gern, denn wir hoffen alle, uns wieder sehen zu können, hier in Balanu, in Hunedoara und in Temeswar. Freunde haben wir hier gefunden und Freude, nicht nur einseitig oder wegen der materiellen Unterstützung. Zeit haben wir miteinander geteilt und Pläne gemacht, Hoffnung erkannt, aber auch Not und Verzweiflung erlebt, versucht zu erkennen und zu verstehen wie's ihnen hier geht, auch und gerade hinter den maroden Fassaden. Alles liegt nicht in unserer Hand, aber weit aus mehr, als in den Händen unserer rumänischen Freunde, einige Autostunden von uns entfernt. Viel gäbe es noch zu erzählen, von der Freude über ein zweites Kinderfahrrad, den Kopierer, die Lebensmittel und Süßigkeiten, Spielzeuge und Finanzhilfen. Vieles liegt auch und gerade in unserer Hand und wir sind gerufen sie zu öffnen. Warum? Jede und jeder, der eine solche Reise miterlebt hat, kennt die Antwort, die schwer in Worte zu fassen ist. Aber es lohnt sich. Herzlich danken wir Ihnen, die Sie bereit waren, nach Ihren Möglichkeiten die Hände zu öffnen für andere. Ihre Hilfe hat Spuren hinterlassen auf einem Weg, der ein wenig Hoffnung aufkeimen lässt.

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