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Mai 2012 - Treppenbau

Der Kalender zeigt Sonntag, den 13. Mai an. Sehr zeitig rollt unser Auto gegen 0.10 Uhr in die Toreinfahrt zu Hause ein. Zu Hause ist da, wo wir wohnen, unsere Familien, unsere Freunde. Manches scheint bei dem Gedanken daran doppeldeutig. Zehn Tage in Rumänien liegen hinter uns. Wir klammern uns an Erinnerungen, es fällt schwer loszulassen. Waren wir dort nicht noch vor Stunden auch zu Hause, nicht Teil der Familien oder der Freundeskreise? Zuerst sind die Sachen zu sortieren, dann die Gedanken.

Das Erstere geht schneller, Letzteres dauert. Die Herzlichkeit der Freunde und Bekannten, die unaussprechliche Gastfreundschaft, das Lachen und Weinen der Kinder mit ihren manchmal klebrigen Händen, mit Gesichtern voller Hoffnung oder auch Resignation, Gerüche und für manche das Gewirbel der Worte einer anderen Sprache…wir waren mitten drin. Alles zieht, gleich einem Windhauch, an uns vorüber während wir unseren Familien versuchen, erste Eindrücke wiederzugeben. Wir legen uns schlafen, doch immer wieder erreicht uns der Luftzug, der so viel Neues aufzeigt und uns bewegt. Gesichter blitzen immer wieder vor uns auf, jedes trägt seinen Namen. Richtig anzukommen dauert eine Zeit.

„Was muss ich tun um einmal mitfahren zu können?“, war die Frage für jemanden, der das beabsichtigte. „Einsteigen und abfahren.“, war die Antwort vor fast einem Jahr. Jetzt war es soweit. Zwei Transporter sind geladen und setzen sich in der Morgendämmerung des 2. Mai in Bewegung, der Sonne entgegen. Mit den beiden Erstreisenden, Nr. 72 und 73 derer, die je mit uns in Rumänien waren, sind wir zu sechst. Die Hürden der Vorbereitungen sind überwunden. Kleidung und Schuhe, Lebensmittel und Medikamente, Osterhasen und Zahnpasta, Fahrrad und Bälle, Schulmaterial und ein Apfelbaum füllen die Autos. Das Wetter beginnt uns zu verwöhnen, was in Ungarn seinen Höhepunkt erreicht. Jede Baustelle bringt dann bei offenen Fenstern frischen Wind ins Auto, auch die Osterhasen sind dankbar. Nur um Budapest herum sammeln sich die Fahrzeuge vermehrt, wir rollen aber gut durch. Die Beamten an der rumänischen Grenze finden freundliche Worte und nach 13 Stunden stehen wir vor der Temeswarer Kirche. „Gut so, dass ihr da seid!“, so begrüßt uns Pfarrer Kovacs.

 „Die Tradition muss gepflegt werden.“, meint er und gießt den Eisgekühlten zum Willkommensgruß ein. Wir sind wieder munter. Vor dem Nächsten werden aber erst die Autos ausgeladen und das „bagaj“ nach Empfängern Stück um Stück sortiert. Beim Abendessen überbringen wir die Grüße, erzählen und planen die Tage. Die beiden „Neuen“ sind bald zu Hause und es ist so, als kennt man sich schon seit vielen Jahren. Irgendwann füllt sich der „Schlafsaal“. Der Springbrunnen und der Verkehr vor dem Haus lassen uns in den Schlaf rauschen – den einen steiler und den anderen flacher.

Der Donnerstag beginnt mit dem obligatorischen Stadtrundgang bis zur Kathedrale. Auf dem Weg wird Geld gewechselt, das eine oder andere Geschäft begutachtet und die Sonne genossen. Das Flair einer immer bewegten Großstadt umgibt uns. Kinder und Großmütter versuchen, Blumen zu niedrigen Preisen zu verkaufen, während alte Bremer Straßenbahnen mit ihrem Lärm die Verkaufsverhandlungen zur Pause zwingen.

Am Nachmittag steht der Besuch bei Anna auf dem Programm. Sie steht kurz vor dem Abitur. Krankheitsbedingt hat sie die Schule zwei Jahre aussetzen müssen. Sie hüpft vor Freude, uns wieder zu sehen. Ein Regal wird aufgebaut und die Schranktür, die vor einem halben Jahr im Karton fehlte, schließt bald das Loch im Kleiderschrank. Ihre Beine und einiges mehr sind durch die Krankheit ohne Gefühl geblieben, doch sie lebt – und wie! Die Mutter, die sonst über 500 km entfernt als Ärztin arbeitet, ist auch zu Hause. Sie konnte die Tochter bisher nicht zu einer neuen ärztlichen Untersuchung überreden. Die Traumata vieler Krankenhausaufenthalte und schlechte Erfahrungen mit Ärzten sitzen tief verankert. Venen wie aus Glas ließen die Blutabnahme immer neu zur Tortour werden. Die Mutter bittet uns, mit ihr zu reden. Zehn Minuten später ist sie bereit, weil wir den Arzt gut kennen und die Mutter ist glücklich. Ein Mittagessen war vorbereitet, nachmittags gegen 5 Uhr lassen wir es uns schmecken. „Auf Wiedersehen“ heißt es jetzt und jeder rechnet wieder damit.

Was man nicht wissen kann, ist, dass Anna keine Krankenversicherung hat und so jeden Arztbesuch bezahlen muss, was aber gar nicht möglich ist. Die Mutter hilft so gut es geht, doch Miete, Strom und Heizung sind teuer, von Lebensmitteln für Anna, die eine Laktoseunverträglichkeit hat, gar nicht zu reden. Wir übernehmen die Arztkosten, sprechen mit dem Arzt und eine Woche später wird sie eine Generaluntersuchung schon hinter sich haben. Eine Spezialuntersuchung (MRT) wird nach ihren Schulprüfungen vereinbart. Sie soll Aufschluss darüber geben, inwieweit eine Sensibilisierung der unteren Körperhälfte möglich wäre. Allein diese Untersuchungen würden drei volle Monatslöhne verschlingen. Pastor Kovacs übernimmt den Transport zu den Ärzten und wir die erforderlichen Kosten. Wir stolpern die Treppen aus dem dritten Stock hinab, für Anna geht es erst mal wieder ein Stück vorwärts und sie kämpft. Allein wegen dieses Besuches hat sich unsere Fahrt schon gelohnt. Bei Billa kaufen wir am nächsten Morgen etwas mehr ein. Wiener Würstchen, Getränke, Brot, Holzkohle und einiges mehr wandern in den Korb und dessen Fülle zieht die Blicke der anderen Kunden auf sich. So gefüllte Körbe sind auch im Großmarkt eher die Seltenheit, deshalb die Blicke. Alles ist schnell gefunden und wir fahren nach Jimbolia. Nach gut vierzig Kilometer in Richtung der serbischen Grenze halten wir vor dem kleinen Kinderheim.

Durch die Löcher des Tores wackeln viele Finger und dahinter freuen sich 20 Paar Kinderaugen. Wir werden erwartet. Mit Piroska, der Leiterin, hatten wir Kontakt über Computerpost und vereinbart, dass wir einige Stunden mit den Kindern verbringen wollten. Sie war erfreut, muss aber noch einem Kind die Hosen wechseln. Schnell sind die Kinder zum Spielen bereit: Bälle fliegen, Seile animieren zum Springen, Laufbecher klappern, Kinder fallen und lachen gleich wieder. Fallen und Aufstehen haben die meisten von ihnen in ihrem jungen Leben schon oft üben müssen. Nicht jedem fällt es leicht, aber jedes dieser Kinder kennt die Treppe, die sie in tiefe Abgründe führte. Dasein und nicht gewollt; geliebt, aber nicht versorgt; geboren und dann abgegeben – das alles und vieles mehr haben sie gemeinsam. Eine Hand, die sich ihnen liebevoll auftut, lernten die meisten erst hier kennen, das heißt, gleich vier Hände. Es sind die von Piroska und ihrer Schwester Chili. Beide führen das Heim. Führen – das bedeutet 24 Stunden für die 20 Kinder im Alter von 2 bis 18 Jahren da zu sein, 365 Tage im Jahr, wenn man von knapp zwei Wochen Urlaub absieht.

Wir unterhalten uns in Ruhe mit Piroska, während die anderen draußen spielen. Immer wieder kommen ihr die Tränen bei den Gedanken an die Zeit vor einem Jahr, als sie so am Boden war. Nach unserem Besuch aber ging sie Stück für Stück voran, nicht ohne Tränen, aber im tiefen Gottvertrauen. Heute steht sie vor einer Akte, von der sie vor einem Jahr nicht zu träumen wagte. Darin sind alle Genehmigungen abgestempelt, die den nach EU-Norm geforderten Standard der Einrichtung beglaubigen. Bis zum allerletzten Abschlussprotokoll fehlt noch ein Edelstahltisch in der Küche. Er ist Teil unserer Ladung, weil ihn jemand, den wir selber gar nicht kennen, bezahlt hat, als er wieder über andere davon hörte. Wir bauen ihn auf und wie abgemessen passt er in die Lücke neben den Herd. Gott schreibt Geschichten und wir lernen zu lesen. Die Kommission kann kommen. Piroska ist glücklich, wir auch. Draußen toben die Kinder. Wir rufen sie zusammen, denn etwas fehlt noch - der Apfelbaum.

Ein Kind aus der Heimat wollte einem Kind in Rumänien eine Freude machen und hat die Sparbüchse geplündert. Gemeinsam hatten wir beschlossen, dass sich darüber aber zwanzig Kinder freuen sollen und so den Baum mitgebracht. Die Einzigartigkeit dieses Baumes und des Kindes aus Deutschland lädt uns jetzt zu einem kleinen Kindergottesdienst ein. „Ein jeder denke nicht an das Seine, sondern an das, was des anderen ist.“, so lesen wir es im Brief an die Gemeinde in Philippi. Wir erklären die näheren Umstände des Kindes und die Herkunft dieses Baumes. Möge er viele Früchte tragen, als Beispiel dafür, dass einer viel zu bewegen vermag, wenn es nur von Herzen kommt. Wir graben das Loch für den Baum und mit aller Sorgfalt wird er eingesetzt. Ob wir wussten, dass dort erst ein anderer Baum vom Sturm abgebrochen wurde, fragt Piroska. Nein – woher denn. Jetzt steht der Baum und wird die Kinder bald erfreuen und lange an das Kind in Deutschland erinnern. Noch ein Letztes ist geplant und was im Plan ist muss passieren.

Bald glimmt die Holzkohle und fünfzig Bratwürste bekommen unter den Augen der staunenden Kinder die ihnen zugedachte Farbe. Entspannt erzählen wir am Rost und der Junge mit dem kurzen Streichholz darf braten. Für den Fall, dass die Würste für die Kleinen zu scharf sind, liegt noch eine Menge Wiener bereit, viel bleibt am Abend nicht übrig. Immer wieder kommen die Kinder auf der Suche nach Streicheleinheiten und sie finden sie. Gleichsam geben sie solche einander weiter und drücken sich an Piroska. Ungewollt und doch glücklich – geht das? Es bewegt uns, denn wir spüren, wie ihr Leben hier eine Kehrtwendung bekommt und die Treppe des Lebens aus dem Loch nach oben führt. Möge jedes der Kinder Halt und Kraft für den neuen Weg finden. Wir verabschieden uns und denken über vieles nach. Sie winken bis das Auto verschwunden ist. Uns begleiten sie, die Kinder aus Jimbolia, ihr Lachen, Piroskas Tränen und Aufatmen, ihre Hoffnungen, viele Dankesgrüße und einige Zeichnungen für das Kind mit dem Apfelbaum. Über Stunden und Jahre sind Freundschaften gewachsen. Sie helfen uns allen, das Leben komplexer zu sehen, als wir es gewohnt waren.

Das schöne Wetter lockt auch am Samstag in die Stadt. Auf dem Weg in die Unergründlichkeiten der glitzernden Geschäfte besuchen wir nach Frau Alice noch Eva Kovacs. Mit ihren 80 Jahren hat sie sich herausgeputzt, so gut es ging. Aufstehen kann sie kaum noch und probiert es heute gar nicht erst. Der Besuch ist für sie eine willkommene Abwechslung in ihrem oft tristen Alltag. Wie viel –zig Jahre sie das Zimmer schon nicht mehr verlassen konnte, weiß sie selber nicht mehr. Seit ihren jungen Jahren hat sie die Kinderlähmung gefangen genommen, aber heute freut sie sich und das zeigt sie. So ist das eben. Sie will die Sachen aus dem Beutel gezeigt bekommen und jauchzt ab und zu auf. „Und kommen`s bald wieder.“ Für sie ist der Bezug nach „draußen“ wichtig, den Radio oder Fernsehen allein nicht bieten können. Den Rosengarten der Stadt hat noch niemand von uns betreten, also führt uns der Weg bei gut 38 Grad im Schatten dort hin.

Die erste Tür ist verschlossen und die beiden nächsten auch – „Bauarbeiten“. Wir gehen weiter bis zur Brücke über die Bega, die die Stadt teilt. Auf der anderen Seite ist Schatten, den wir für den Rückweg gern nutzen. Pastor Kovacs erzählt über die Stadt und deren Geschichte, während wir über den manchmal recht holprigen Weg stolpern. An der Reformierten Kirche angekommen, berichtet er vom Beginn der Revolution in Rumänien, die von dieser Kirche ausging und mit vielen hunderten Toten so anders verlief als bei uns, bis heute. Müde fallen wir auf „unsere“ Betten, schreiben Karten, dösen ein wenig oder, wer kann, redet über das bisher Erlebte.

Mit dem Sonntag beginnt der Gottesdienst. Wegen unseres Besuches wurde der Muttertag extra vorverlegt. Manchen befremdet das, denn in der Gemeinde wird er jährlich richtig mit einem Programm der Kinder im Gottesdienst gefeiert. Nach Predigt und Abendmahl sitzen wir zwei Stunden später noch mit der Gemeinde im Betsaal zusammen. Langweilig war es niemandem von uns. Gottesdienst in drei Sprachen kann man wirklich erleben. Niemand fühlt sich fremd deshalb. Bei Kaffee, Kuchen und vielen Gesprächen wird Geld für die Gemeinde übergeben. Sie benötigen dringend ein neues Auto und es besteht noch genügend Loch. Wir stopfen und danach sieht es schon besser aus. Immer wieder werden wir gefragt nach ihm oder nach ihr in Deutschland und wir berichten. Wir packen die Autos und steuern die nächste Station unserer Reise an – Hunedoara.

Die Straßenzustände haben sich deutlich verbessert, wir genießen das noch junge Grün des Frühlings. In den Dörfern geht es gemütlich zu, die Sonntagsruhe wird im Land noch weitgehend eingehalten. Eine kurze Pause am üblichen Rastplatz, einer Bergkuppe hinter Lugoj, gibt den Blick in die Gebirge frei. Nach etwas mehr als drei Stunden erreichen wir die Stadt Hunedoara. Vom einst riesigen Kombinat stehen nur noch vereinzelte Reste. Das Gelände ist weithin im Umbruch, die soziale Lage der Menschen ist es nicht. Oberhalb des alten Corvin-Kastells erwartet uns Alexandru.

Nur mühsam lösen wir uns aus der Umarmung, wissend, was von unserem Besuch abhängt. Er erklärt uns, dass der Weg zu Familie Varga mit Vorsicht anzugehen ist, nicht nur wegen der ausgewaschenen Spuren. Um ihr Grundstück wurde ein Erdwall aufgeschüttet, der den Mülllastern das illegale Abladen verwehren soll. Außer ihnen und uns findet kein anders Fahrzeug den Weg hier hoch. Unsere Erstreisenden können es kaum glauben, dass dort in der Betonbude jemand wohnt. Der Vater der sieben Varga-Kinder hat ein Loch in den Erdwall gegraben, wir treffen es auch beim ersten Versuch und kommen gerade so durch. Aufgereiht vor dem Haus wartet die Familie schon. Die Kinder sind bald mit dem neuen Ball und unserer Mannschaft weiter oben verschwunden. Für das Fußballspiel gibt es auf der ehemaligen Schießanlage genügend Platz. Die Kleinen rutschen auf den Schoß der Eltern und wir reden miteinander. Geändert hat sich nicht viel, nicht an der sozialen Situation und nichts an der Hoffnung aus dem Glauben, mit der sie jeden Tag neu angehen. Roxana, die zweitälteste Tochter, wohnt wieder bei den Eltern. Im Herbst war sie ausgezogen und hatte die Schule wegen einer Schwangerschaft abgebrochen. Jetzt will sie die Schule wieder aufnehmen. Wie wir später erfahren, ist das Kind mit knapp vier Monaten aufgrund einer „Fehldiagnose“ des Arztes kürzlich verstorben. Er hatte die Lungenentzündung nicht diagnostiziert. Keiner weiß warum, aber man vermutet... Geld in den Taschen des medizinischen Personals spielt immer noch eine wichtige Rolle, schon in Temeswar haben wir darüber vieles neu gehört. Nicht nur auf das Gesundheitswesen trifft dieser Umstand zu. Jeder im Land kann davon berichten.

Kleidung, Schuhe, Lebensmittel, Süßigkeiten und manches mehr finden auch an dieser Stelle dankbare Abnehmer. Wie das im Winter eigentlich geht, fragen diejenigen, die zum ersten Mal da sind. Wir haben auch keine Antwort. Mit unseren Maßstäben lässt sich auch bei Familie Varga nichts messen. Geld für die nötigsten Ausgaben lassen wir hier, sie betreffen den Bus für die Schulkinder und, und, und…

Alexandrus Familie hat die „Vorspeise“ vorbereitet. Liebevoll arrangierte Teller mit Gemüse, Hackbällchen und anderen landestypischen Dingen stehen vor uns und wir erzählen mit der Familie. Liliana, Alexandrus Frau, war zehn Tage im Krankenhaus. Ohne Arbeit hat man kein Geld und keine Krankenversicherung, aber man muss bezahlen. Zwei rumänische Monatslöhne hat das gekostet, für eine Familie ohne Einkommen. Wieder ist unsere Mathematik am Ende, nicht zum letzen Mal. Ohne Unterstützung wäre eine Behandlung absolut unmöglich. Wir stopfen Löcher, sie danken unter Tränen. Ein Kurzbesuch bei Adriana und ihrer Familie, die nur wenige Häuser weiter wohnt, ist uns wichtig. Sie haben für vieles, was wir tun, mit den Grundstein gelegt. Das Essen steht auf dem Herd und wir nehmen die Einladung gern an. Was kann man machen? Sie freuen sich jedes Mal ebenso, wenn wir da sind und bedauern, dass wir nicht länger bleiben. Für den Herbst versprechen wir, eine Nacht hier zu schlafen. Alexandru wird später in der Schule und dem Kindergarten die Materialen abgeben und die Tüten mit den Süßigkeiten an die Kinder verteilen. Ab heute begleitet er uns wieder nach Balanu.

Es sind auch für ihn die Höhepunke des Jahres, mit dorthin zu fahren. Er muss das nicht betonen, man spürt es ihm an der Freude ab. Seit vielen Jahren unterstützen wir seine Familie. Mit welchem Ergebnis? Die Kinder konnten bei den Eltern bleiben, sie gehen zur Schule mit guten Noten, aus der kleinen Küche von einst ist ein Häuschen entstanden, in dem sie wohnen können und, wo immer es möglich ist, ergreifen sie Arbeit oder Jobs. Das Wichtigste aber ist, dass sie Hoffnung bekamen und Kraft fanden, um sich nicht aufzugeben. Während sie es einige Stufen nach oben schafften, wiesen sie uns auf andere hin, denen es schlechter ging als ihnen. Vieles konnten wir mit ihnen zusammen erreichen, auch außerhalb ihrer Familie. Eine Stunde später stehen wir in Balanu.

Schneebedeckte Gipfel versinken in der Dunkelheit, in den Gesichtern lacht die Sonne – in unseren und in denen unserer Freunde. Wieder sind wir zu Hause. In der Küche wuseln die Frauen, wir laden die Autos endlich zum letzten Mal aus. Beim Abendessen grüßen wir alle und besprechen den nächsten Tag. Wie selbstverständlich sitzen wir im großen Speiseraum, wo den ganzen Winter über in mehreren Schichten an die Bevölkerung das Essen verteilt wurde. Wer schon mehrmals hier war, erinnert sich noch an die Baustellenatmosphäre vergangener Jahre. Jetzt ist es sauber und gemütlich. Wir orientieren nach vorn und vorn ist morgen und morgen wird Treppe gebaut.

Nicht nur die Kinder haben uns entdeckt, sondern auch das Federvieh. Drei Hähne wechseln sich die ganze Nacht über ab, vor unseren Fenstern lautstark zu flanieren. Die Hunde kommentieren das auf ihre Art, so wird die Nacht zum Tag und endlich ist es hell.

Schwere Stahlprofile werden vermessen, es wird gerechnet und angezeichnet. Wer eine Treppe bauen will, muss einiges beachten. Wichtig ist das Fundament, auf dem sie steht. Die Stufen dürfen nicht zu hoch sein, denn sie soll bequem zu gehen sein. Wichtig sind gleiche Abstände von Stufe zu Stufe, sonst stolpert man später und fällt. Jedem Wetter muss sie Stand halten, denn sie steht im Freien und sie muss stabil sein. Es ist so, wie im Leben. Schließlich ist alles kalkuliert, die Trennscheiben bringen die Profile auf die richtige Länge und Bohrer aus vier Maschinen fressen sich durch das Material. Die Befestigungen sind auch geschweißt und die Montage beginnt. Vorher muss noch das wackelige Gestell entfernt werden, das bisher den Zugang zum Boden des Gemeinschaftshauses ermöglicht hat, mehr oder weniger sicher. Am Nachmittag versichert das Foto mit allen Beteiligten, dass die Treppe stabil ist.

Wir fahren nach Hateg und kaufen ein. Der Computer hat einen Totalausfall, wird aber am nächsten Tag benötigt. Einen Gebrauchten treiben wir glücklicherweise auf und nehmen ihn mit. Die Kinder toben schon den ganzen Nachmittag und freuen sich an neuen Spielideen. Sie sind gewachsen und trotzdem Kinder geblieben. Miteinander umzugehen funktioniert, auch wenn Raul stinksauer ist, dass sein Ball einfach so mal explodiert. Mit seinen fünf Jahren und dem Gipsarm schrubbt er ab nach Hause. Lange hält er es dort aber nicht aus, denn nichts Gutes erwartet ihn dort. Mit sechs Kindern leben die Eltern in einem Zimmer, nicht größer als zehn Quadratmeter. Der Schmerz über den zerfetzten Ball ist bald vergangen, für Ersatz ist gesorgt. Schmerzen kennen die Kinder. Erst vor zwei Tagen ist er vom Fahrrad über die Leitplanke geflogen und den Hang hinab gestürzt, deshalb der Gipsarm. Doch das ist vergessen. Er tobt weiter. Andere Schmerzen sitzen tiefer. Wenn die Eltern verschwunden sind und sich niemand kümmert, wenn nichts zu essen da ist, dann spüren sie das Alleinsein und das gräbt sich in die Kinderherzen ein. Doch da ist noch Cristina mit ihrer Familie. Ohne viele Worte fangen sie solche Grenzsituationen ab, so gut es geht. Raul ist da nicht der einzige Kandidat, sie sind die Ansprechpartner für alle.

Für Dienstag wurde die Jahresversammlung des Vereins „PRO-Balanu“ angesetzt. Pfarrer Kovacs und eine Sozialpädagogin sind pünktlich angereist. Auch der Buchhalter konnte sich frei nehmen. Alle Berichte erläutern die Arbeit des vergangenen Jahres. Die Bilanz ist lupenrein und unterwegs nach Bukarest. Neue Ziele werden gesteckt, die sich, neben allem was läuft, mit dem lokalen Ämterdschungel beschäftigen. Vieles muss bedacht werden, denn Fehler enden schnell mit hohen Strafen, mindestens dort, wo nicht viel zu holen ist. Cristina legt Protokolle und Berichte vor, von denen jeder glaubt, ein Anwalt hätte sie verfasst. Doch sie hat sich über Internet und andere Quellen informiert, gelernt und geschrieben, allein. Neben allem beendet sie in den nächsten Wochen die elfte Klasse in einer Erwachsenenqualifizierung. Die Auswärtigen werden nach dem Essen verabschiedet.

Auch Raul bekommt von den Krautwickeln, sieben Stück schafft er. Es war mal wieder etwas Warmes zu essen, neben einem Stück Brot. Gegen Abend kommen Kinder, um Hausaufgaben zu erledigen. Angelut, Cristinas Mann, und Alexandru beweisen viel Geduld, bis alles erledigt ist. Wir kennen jedes Heft und jeden Stift. Noch bis zum frühen Morgen erzählen wir, nicht nur wegen der Hähne vor den Fenstern. Der Winter war wegen des vielen Schnees und der Kälterekorde richtig problematisch. Wir übergeben Geld für die Schulbesuche, Internatsplätze, Küche, Verein, Krankentransporte und manches mehr. Wir scheitern oft beim Versuch, alles zu beschreiben.

Zeitiger brechen wir am nächsten Morgen mit dem Bus auf, denn ca. 200 km liegen vor uns. Vor fünf Jahren besuchten wir Cristinas Großmutter in Baia de Arama schon einmal. Uns drängt es, sie wieder zu sehen. Durch das Tal des Jui-Flusses schlängelt sich die Straße in engen Serpentinen, die Urwüchsigkeit der Natur ist eindrücklich. An schroffen Felswänden und undurchdringlichen Wäldern spielt die Sonne mit Licht und Schatten. Oft liegt das ganz eng bei einander. Nach drei Stunden quält sich das Auto einen engen Weg hinauf und bekommt eine Pause. Cristina hatte mit Akten für die Erntearbeit in Deutschland zu tun, deshalb ist Angelut mitgekommen. Mit einer abgenutzten Plastiktüte kommt die Großmutter den Hang aus der Stadt herauf. Leicht fällt ihr das Laufen nach 77 Jahren nicht mehr und das wettergegerbte Gesicht erscheint noch zehn Jahre älter. Sie erkennt uns und überschüttet uns mit Segenswünschen. Sorgsam schließt sie die Gartentür auf und dann ihre Hütte.

Die sechs Quadratmeter, von denen der Ofen fast zwei einnimmt, teilt sie sich mit zwei Kaninchen, die unter dem Bett jetzt etwas Grünes bekommen. Sie fühlen sich auf dem ausgetretenen Lehmboden wohl. Was kann man machen? Der Winter hat an der Hütte mehr als genagt. Dass sie den nächsten Schnee nicht überstehen wird, ist ohne Baugutachten klar. Durchgefaulte Balken des niedrigen Daches ruhen noch auf stützenden Latten. Wie lange noch? Als sich jemand von uns am Kopf stoßt, kracht es bedenklich und der Hund bringt sich vorsorglich in Sicherheit. Die einzige Scheibe an der Rückwand existiert auch nicht mehr. Nach unserer Ankunft versammeln sich schnell fast dreißig Kinder, die hier an diesem Hang wohnen, ein klein wenig besser als Großmutter. Osterhasen und andere Süßigkeiten wandern nun aus Erfurter Märkten in rumänische Kinderhände. Die Freude ist groß, der Ausbruch derselben muss aber organisiert werden. Mütter kommen mit Kindern aus der Schule hoch, jeder bekommt etwas.

Während dessen verhandelt Angelut mit der Oma über einen Umzug in Richtung Balanu. Viel gäbe es nicht einzupacken. Die Zwiebeln, wie eine Armee gesteckt, werden verbraucht sein, die alte Herdplatte auf zwei Steinen im Hof kann bleiben, die frische Schürze, die sie sich aus einem Bretterverschlag vom Hof holt und umbindet, muss mit und die Kaninchen natürlich auch. Wir werden hören, ob sie es übers Herz bringt, alles zu verlassen, was sie ihr Eigen nennt. Ihr einziges Einkommen sind 20 Euro Sozialhilfe, nicht jeden Monat kommt das. Für das Grundstück zahlt sie jährlich 70 Euro Steuern. Kann sie die nicht zahlen, wird die Sozialhilfe gekürzt. So ist das. Seit unserem ersten Besuch bekommt Cristina Geld für sie, kauft und bringt Lebensmittel oder schickt sie mit der Post. Wir verabschieden uns, die Oma und viele Kinder winken uns nach. Für sie ist das Treppensteigen schwer geworden, doch nur eine Stufe muss sie in die Hütte bewältigen. In der Hütte selber führt die Stufe abwärts.

Drei Stunden später kommen wir in Balanu wieder an. Die Kinder warten ungeduldig, wir versprachen etwas Besonderes: Einen Wettbewerb! Erstmal wurden alle nach Hause geschickt, um Schuhe zu holen. Es gibt zwei erste Preise zu gewinnen, einen für die schmutzigsten und später den, für die am besten geputzten Schuhe. Alles ist vorbereitet und die Kinder sind mit Eifer dabei. Im Spiel lernen, das funktioniert oft. Raul bekommt nicht nur die Schuhe, sondern gleich die Füße mit gewaschen und lässt sich das gern gefallen. Mit einer Hand geht das nicht so gut. Zwischendurch warten kleine Reparaturen und die Waschmaschine für die Öffentlichkeit wird angeschlossen.

Der letzte Tag beginnt mit einer Fahrt zur Staumauer. Die Weite und Schönheit des Landstriches liegen vor uns, wir atmen durch. Doch der Schulbesuch drängt. Der Lehrer freut sich und bestätigt bessere Resultate, nachdem die Hausaufgabenbetreuung und Lernstunden organisiert sind. Im Winter kamen die Kinder fast täglich. Heute bekommen sie in der Schule Süßigkeiten. Cristina bat uns, noch einen Besuch im Nachbardorf zu machen, ihr Vater begleitet uns. Erst vor zwei Wochen hat er seine beiden Schwestern begraben, die unerwartet verstarben. Was das in Rumänien bedeutet, kann man sich nur erzählen lassen. Umgerechnet eintausend Euro hatten sie zahlen müssen, sollten die Toten nicht wie Hunde verscharrt werden. Ein Stück konnten wir helfen, die Steine hörten wir von den Herzen abfallen. Am Ende des Dorfes lassen wir das Auto stehen und biegen auf einen schmalen Weg ab. Vorbei an frisch geputzten und gestrichenen Häusern erreichen wir einen Zaun am Hang, hinter dem ein Mann unschätzbaren Alters auf einigen Lumpen im Gras liegt.

Mühsam zieht er sich an einem Stock hoch und erkennt den Vater. Wir wurden vorgewarnt und treten in den Garten. Nach drei Unfällen kann er den Arm nicht mehr heben. Immer wieder erzählt er es uns davon und darüber, dass seine Frau vor Jahren gestorben ist. Schnell zeigt sich, dass er nicht nur körperlich krank, sondern auch psychisch mindestens tief gestört ist. „Er soll doch arbeiten gehen!“, meinen die Nachbarn mit den frisch gestrichenen Häusern und deshalb hilft ihm hier niemand. Das Haus ist etwas größer als das der Großmutter, doch in dem gleichen statischen Bauzustand.

Das Licht funktioniert nicht mehr, er öffnet die Tür zu dem einem Raum und wir treten ein, nicht alle, aber sehr vorsichtig. Der Raum hat die Farbe des Ofeninneren. Viel ist nicht zu erkennen und das ist gut so. Alles, was wir in den letzten Tagen zu uns genommen haben, sucht sich mit Macht den Weg aus dem Magen nach oben. Nur mühsam erreichen wir unfallfrei den Ausgang, und wir sind bestimmt schon einiges gewohnt im Laufe der Jahre. Wer nicht mit drin war hat trotzdem feuchte Augen, auch ohne ein Wort zu verstehen.

Es taucht die Frage auf, ob man so etwas aushalten kann. Wir schlucken beim Ansatz einer Antwort. Cristinas Eltern bringen ab und zu etwas zu essen. Jedes Tier in Deutschland ist besser untergebracht und versorgt, egal wie und wo. Hier zeigt sich ein System, das am Abgrund steht. Wer keine Chance mehr hat, gibt auf. Wir verabschieden uns und müssen denken. Es war, wenn Gott hilft, nicht der letzte Besuch, doch das muss vorbereitet werden.

In der Küche in Balanu herrscht Hochbetrieb. Wir haben gelernt umzuschalten, zumindest nach Außen hin. Die Frauen machen sich fertig zum Krautschneiden, auf dem Herd brodelt es in großen Töpfen, denn am Nachmittag sind Kindergottesdienst und danach ein Essen geplant. Große Töpfe brauchen Zeit, wir auch ein wenig zur Vorbereitung. Punkt drei Uhr stehen die Kinder am Zaun, der Gottesdienst beginnt.

Die Kinder singen, soviel die Stimmbänder hergeben. Beim Anblick der verschiedenen Osterhasen verstehen sie schnell, dass es nicht auf das Äußere ankommt. Wenn die Fassaden fallen, sind wir alle gleich; nicht einer Schokoladenmasse abstammend, sondern dem Gedanken eines uns über alle Maßen liebenden Gottes. Und dabei haben wir den Besuch vom Morgen noch nicht vergessen. Zweimal füllt sich der Speiseraum danach mit Kindern und deren Müttern. Zum Abschluss gibt es die Osterhasen für jeden. Im Dorf sind noch Körbe abzuholen, doch vorher besuchen wir Victoria, unsere taubstumme Freundin. Noch im Herbst kam sie zum Essen ins Haus runter, vor Kurzem musste ihr ein Bein amputiert werden. Das Dorf hat für sie gebetet und kein Arzt verstand, dass nach zwei Tagen die Wunde verheilt und sie nach drei Tagen wieder ohne Schmerzen zu Hause war. Sie ist von den Angehörigen im Hof in einem Sessel postiert und freut sich über den Besuch. Immer wieder „erzählt“ sie uns die Geschichte mit dem Bein und zeigt uns, wie dankbar sie dafür ist, ohne Schmerzen leben zu können. Mit dem Rollstuhl wird sie auch gefahren, Windeln sind unersetzlich, einige haben wir mit im Gepäck. Wir holen die Körbe und die Frauen freuen sich über den Verdienst.

Das Dorf hat sich merklich verändert. Viele der alten Hütten sind Neubauten gewichen, mal größer, mal bescheidener - eben so, wie es jeder schafft. Überall wird gesägt und gehämmert. Unvorstellbar war das vor zehn Jahren, doch wir sehen es jetzt mit eigenen Augen. Wir wollten mit den Menschen ein Stück des Weges zusammen gehen, so haben wir vor zehn Jahren gesagt. Manchem konnten wir die Hand reichen, manchem einen Weg ebnen oder eine Treppe bauen. Mal geht es hoch und dann wieder runter. Wichtig ist, dass die Menschen aufgestanden und losgelaufen sind, trotz Rückschlägen und Niederlagen. Bestimmt haben wir nur Weniges arrangiert, zumindest rein äußerlich. Aber Hoffnung wollten wir geben und ihnen sagen, dass sie nicht aufgeben sollen. Nicht alle können wir erreichen, was manchmal schmerzt. Und doch kommt Freude auf über das Geheimnis des Segens der geschieht, hier in Balanu und an manch anderer Stelle. Alles können wir nicht ändern, doch wo von Herzen mit Verstand gearbeitet und mit Zuversicht gebetet wird, ändern sich Dinge und wir staunen dankbar.

Geändert hat sich auch der Zustand der Regale der Speisekammer, die nun gefüllt sind. Geändert haben sich auch manche Ansichten in uns und wir denken über Vieles neu nach. Jeden Tag waren sie um uns, die Kinder, die Freunde und wir als Gruppe auch. Am Grill sitzen wir noch zusammen, auf dem für uns gebraten wird. Selbst wenn wir kaum etwas aus der anderen Sprache verstehen, so fühlen wir uns unaussprechlich wohl unter ihnen. Sie erzählten uns aus ihrem Leben und gaben gern Auskunft auf so viele Fragen, die wir erst hier hatten. Kein Bericht oder Foto bringt zum Ausdruck, was wir fühlen und erleben.

Der Morgen bringt den Abschied. Ein Auto fährt direkt zurück nach Deutschland, das andere nach Temeswar. Abschied ist Abschied, aber sicher nicht der letzte. Sie bedanken sich immer wieder und überall, manchmal nach Worten ringend. Wir sagen das gern weiter. Während die einen bald zu Hause sind, finden wir „unser“ Zimmer bei Familie Kovacs. Der Pfarrer kommt vom Gulaschkochen und am Abend einige Freunde, unter ihnen Doktor Jakob mit Familie. Er hatte mit der Arztstube vor über zehn Jahren begonnen und heute führt sie Frau Bobcsok. Ein neues EKG hat sie nach unserer Ankunft mit mehreren Kartons Medikamenten bekommen, sie kann wieder ordentlich arbeiten. Auch Frau Petrescu sitzt mit am Tisch und bedankt sich noch oft für das gute Fahrrad, mit dem sie die Krankenbesuche schneller und billiger erledigen kann, als zu Fuß oder mit der Straßenbahn. Dr. Jakob erzählt von Annas Untersuchung. Sie war absolut tapfer, trotz der Probleme mit den Venen. Wir erzählen von Balanu, vor sechs Jahren war er dort und nach den Untersuchungen der Kinder war der Arzt krank. Krankheiten hat er diagnostiziert, die er nur aus Büchern noch kannte. Er freut sich über die Entwicklung und will das Dorf bald wieder einmal besuchen. Der Abend verläuft herzlich, der Morgen ist schmerzlich – nicht wegen des Abends, sondern wegen der Abreise. Alles was lebt und atmet lassen wir im Land, genau so hatten wir es vor der Fahrt zu Hause versprochen.

Wir winken ein letztes Mal und reisen in Richtung Deutschland. Für uns beginnt der Film rückwärts zu laufen. Unsere Familien warten. Mit Handys gab es immer Kontakt und eine Nachricht gab das Unverständnis des Absenders weiter, wie unvorstellbar mancherlei Situation 67 Jahre nach Kriegsende in Europa doch ist. Wir kommen zu Hause an und doch fehlen sie uns. Aber sie leben und atmen weiter, an ihrem Platz. Sie steigen Treppen auf und ab und sind in Bewegung, einige von ihnen lockerer, andere müssen sich stützen oder gestützt werden. Treppenbau muss überlegt geschehen, damit es möglich wird, die Stufen zu gehen und Ziele zu erreichen. Die Hoffnung, ein Stück weitergebaut zu haben, nicht nur aus Stahl und Blech, erfüllt uns.

Jede und jeder von Ihnen, der uns dabei half, einschließlich der vielen Vorarbeiten, war mit an Bord und Teil der Gruppe. Den Dank unserer Freunde geben wir gern weiter und freuen uns, Ihnen im Herbst neu berichten zu können, mit Gottes und vielleicht auch mit Ihrer Hilfe.

 

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