Oktober 2007 - Spuren und spüren
Die Fotos sind entwickelt, Erinnerungen steigen auf. Der Alltag umkreist uns und ergreift wieder Besitz. Nach zehn Tagen sind wir gesund und wohlbehalten zu Hause angekommen, zum zwanzigsten Mal. Gott sei Dank!
Jeder von uns sieben, die wir unterwegs waren, erinnert sich gern, blättert in Gedanken die Tage durch, die Notizen über Erlebtes, die Fotos. Nützliche Geländer sind die Aufzeichnungen von Wort und Bild. Aber wie so manches Geländer sind sie kalt. Gut, dass da noch die Erinnerungen sind. Sie wecken die Fotos buchstäblich auf. Wir hören Zsombor erzählen und lachen, riechen das frisch gekochte Essen, sehen das lebendige Lachen von Catalin und Geanina, spüren die Werkzeuge in den Händen und entdecken die Freude in den Augen so vieler. Zehn Tage in Rumänien hinterlassen ihre Eindrücke, manches drückt immer noch.
Aber gewöhnlich beginnt eine Reise mit der Abfahrt. Die Mühen der Vorbereitungen sind mit den gepackten Autos schnell vergessen. Winterkleidung, Schuhe, Lebensmittel, Weihnachtssüßigkeiten, Spiel- und Werkzeuge, Fahrräder, Medikamente und Elektromaterial, Schulranzen und Hygieneartikel, Betten und Medizintechnik, Schulbedarf und Kinderwagen, alles findet seinen Platz. Nun müssen die Autos durchhalten. Nicht ganz so schwer wie Konserven, wohl aber doch gewichtig ist der Inhalt der Geldbeutel. Straßensammlungen, private und Firmenspenden, Kollekten, Kuchenverkauf und nicht zuletzt der Erlös eines großartigen Konzertes des Thüringer Polizeimusikorchesters kurz vor der Abreise haben dazu beigetragen. Es ist Donnerstag, der 11. Oktober. Noch tief im Dunkel steigen wir ein und fahren ab.
Beim ersten Kaffee in Passau ist es gerade hell geworden, doch die Zeit drängt. Wien, Budapest, Szeged und die rumänische Grenze lassen wir problemlos hinter uns. Kurz vor Temeswar klärt uns die rumänische Polizei auf, dass wir die Autos zu hoch beladen haben, denn durch den Innenspiegel müssen wir durch das Auto nach hinten freie Sicht haben. Der ausgestreckte Zeigefinger der Uniformierten und die mahnenden Worte: „Aber für die Zukunft!“ beenden die kurze Diskussion. Kurz danach begrüßt uns Familie Kovacs im Temeswarer Pfarrhaus. Erleichtert sind wir mit ihnen, dass die Reise gut verlaufen ist. Bei einem Begrüßungstrunk werden alle, besonders aber die beiden Erstlinge, in Rumänien willkommen geheißen, danach sind wir wieder richtig munter. Trotz der fünfzehnstündigen Fahrt laden wir einen Teil des Gepäcks noch aus. Dann ist das Essen fertig. Es wird erzählt, sich vorgestellt und die nächsten Tage geplant. Müde, dankbar und zufrieden findet jeder sein Bett und genießt es.
Der nächste Morgen beginnt nach dem Frühstück noch einmal mit dem Sortieren. Irgendetwas wird in den Bergen von Kartons, Taschen und Säcken immer gesucht, aber nur so lange, bis es sich wieder einfindet. Am Rand der Stadt wollen wir Familie Kohl besuchen, zum ersten Mal. Die Sekretärin der Kirchgemeinde hat uns von ihnen erzählt.
Zwei aufgeweckte Jungen springen herum, als uns die Eltern hereinbitten. Der größere Bruder ist noch in der Schule. Unser Besuch ist natürlich angekündigt. Trotz des hellen Vormittags sind wir über das Licht der Glühlampe an der Decke dankbar. Viel gibt es trotzdem nicht zu sehen. Die Zehen der Jungen leuchten durch die Strümpfe. Stolz präsentiert uns der Kleinere seine ersten Schreibversuche und verstaut danach alles wieder sorgsam an seinem Platz. Das Hochwasser vor einigen Jahren hat deutliche Spuren am Haus hinterlassen, das fällt beim genaueren Hinsehen auf, oder auch nicht. Mutlosigkeit hat die Oberhand gewonnen, das ist den Eltern abzuspüren. Die schwere psychische Erkrankung der Mutter verbirgt sie hinter einem freundlichen Gesicht. Farbe an den Wänden der kleinen Wohnung gibt es nicht mehr. Der Rauch des Ofens hat viele Jahre dafür gesorgt. Als wir auf die Hochwasserschäden zu sprechen kommen, zeigt uns der Vater das Haus von außen und schnell wird die Situation der Familie klar. Stark nach außen gewölbte Giebel und die nur noch vom Holz der Fenster gestützte Fassade machen klar, warum die Familie nur noch eine Hälfte des Hauses bewohnt. Das Haus besteht aus Lehmsteinen, ohne stützendes Fachwerk. Die Hochwassermarke bei knapp einem Meter ist deutlich zu erkennen. Fast zwanzig Zentimeter ist die Fassade eingesunken, am sich überlappenden Putz ist das ohne Gutachten zu erkennen. Immer deutlicher wird die Gefahr, unter der die Familie lebt. An den nahenden Winter mag niemand denken. Ein wenig nasser Schnee auf dem Dach… Wir denken über Alternativen nach und da bleibt nur der Verkauf von Grund und Boden. Nach und nach verstehen wir, dass es nicht nur im Haus trostlos aussieht. Schuhe für die Schule haben die Kinder nicht mehr, erfahren wir später und schicken für jeden ein Paar nach. Die Tüte mit einigen Lebensmitteln und Süßigkeiten kommt uns, trotz der Freude der Familie darüber, mehr als armselig vor.
Familie Csiki wohnt ganz in der Nähe. Noch am Morgen hat es geregnet und die Straße ist ein einziges Schlammloch. Vor dem verrosteten Maschendraht leuchten sie wieder, die blauen Augen der kleinen Ana-Maria. Ungeduldig hüpft sie hin und her, als sie unsere Autos entdeckt. Tief sinken wir in den Schlamm ein. Mit der Oma kommt sie uns entgegen. Jeder versteht, was sie sagen wollen, auch diejenigen, die die Sprache nicht verstehen. Die Augen der Großmutter leuchten heute auch, denn erst gestern ist sie nach einer Augenoperation aus der Klinik entlassen worden. Wie gut sie wieder sehen und sogar lesen kann, erzählt sie sofort. Wir spüren, was zweihundert Euro bewirken können. Ebenso sind sie um vieles erleichtert, da jetzt die Steuerschuld für Grund und Boden der letzten zehn Jahre bezahlt ist. Können wir erahnen, welche Steine für sie damit aus dem Weg geräumt sind? Auch der Großvater kommt und begrüßt uns. Er freut sich mit der Frau und der Enkeltochter. Wir gehen mit ihnen ins Haus und bringen einige Kartons mit Lebensmitteln und Winterkleidung herein. Kerzen sind mit das Wichtigste, wir haben vorgesorgt, denn Strom gibt es nicht. Einige Möbel sind zusammengerückt, vor dem Haus haben Nachbarn zwei Sofas vom Sperrmüll aus der Stadt abgestellt. Einige Fotos mit der kleinen Familie brauchen wir noch, natürlich mit Ana-Marias neuem Schirm. Wir ahnen nicht, dass es die letzten Bilder mit dem Großvater sein werden, während wir uns verabschieden. Dank findet keine Worte, doch wir verstehen. La revedere – auf Wiedersehen!
Die Löcher im Haus sind die gleichen geblieben, die Situation erinnert an die Nachkriegszeit. Tiefe Furchen hinterlassen unsere Autos im Schlamm vor dem Haus der Familie Csiki. Ein kurzer Besuch in der Reformierten Kirche, die neue Fenster bekommen hat und ein Kaffee bei Rosi, der Sekretärin, helfen beim Verarbeiten.
Zu Hause angekommen, ist ein Gang durch die Stadt angesagt. „Jetzt wird es doch vorwärts gehen in dem Land!“ und „Bald braucht ihr nicht mehr hinzufahren, denn die sind doch jetzt in der EU!“ Vorstellungen und Tipps von zu Hause klingen in den Ohren, als wir vor den Regalen mit den Lebensmitteln stehen. Die Flasche Öl zwei Euro, Mehl und Zucker einen Euro, Zahnpasta zweifünfzig, Nutella fünf Euro, eine Tafel Milka-Schokolade einszwanzig, Farbkästen fünf und Schulhefte für fast einen Euro, Brot verteuert um hundert Prozent. Wer sich die Preise nicht merkt, fotografiert sie, zu Hause glaubt das sonst niemand. Alles gibt es zu kaufen, nicht aber bei einem Normallohn von einhundertdreißig Euro. Seit einem Jahr erleben die Menschen die Preissteigerungen in ungekanntem Ausmaß, wir sehen es selber. Dabei wissen wir um gleiches bei Strom und Heizung, Diesel müssen wir auch mit einem Euro pro Liter bezahlen. Wir versuchen es immer wieder prozentual auf den hiesigen Monatslohn umzurechnen und erschrecken jedes Mal neu. Im Land trifft das nahezu vier Fünftel der Bevölkerung in voller Härte.
Im größten Gebäude der Stadt sitzt die Justiz. Es wird aufwändig renoviert. Auf drei zusammengenagelten Brettern sitzt ein Bauarbeiter mit einem zerbeulten Blecheimer, bis das Kommando von oben ertönt und er den putzgefüllten Eimer die fast zwanzig Meter hochzieht. Glück hat, wer im Vorübergehen nichts auf den Deckel bekommt, denn an eine Absperrung hat wahrscheinlich keiner gedacht, außerdem ist der Gehweg sowieso zu eng. Aber es tut sich was und es wird dann auch etwas fertig, mit oder ohne Absperrung.
Samstagmorgen, Doktor Jacob ist immer pünktlich, auch dieses Mal. Wir unterhalten uns über seine Arbeit hier in der Kirchgemeinde, über seine Praxis und das Gesundheitssystem. „E greu!“ das ist immer wieder und auch von ihm zu hören, „Es ist schwer!“ Über viertausend ausgebildete Ärzte haben allein in diesem Jahr das Land verlassen. Lohnfragen und Systemschwierigkeiten sind die Ursachen. Aber er hat nicht nur seine immer übervolle Praxis im Blick, sondern auch die, die dort warten. „Keiner weiß mehr, wofür er die Krankenversicherung bezahlt, denn es ist praktisch umsonst.“ Erst kürzlich erlitt ein Mann einen Infarkt. Er hätte nicht überlebt, wären nicht die Medikamente in der Arztstube gewesen. Wir füllen wieder auf, einige große und kleine Kartons übergeben wir ihm.
In der Stadt warten Herr Iohann und seine Frau auf uns. Sie wohnen im Block. Er war Beamter bei der Eisenbahn und sie Deutschlehrerin. Sie erzählt, als kennt sie uns schon ein Leben lang. Der Besuch ist eine willkommene Abwechslung. Sie betreut ihn mit aller Hingabe, das ist zu spüren und er hat es nötig. Ein Krebs hat ihm im Gesicht einen Teil der Nase und des Ohres abgefressen. Auch an den Beinen macht er sich breit, durch die kurzen Hosen ist das deutlich zu sehen. Sie schimpft, wenn er kratzt, aber es juckt so entsetzlich. Wir müssen uns verabschieden. „Und grüßen sie Deutschland recht schön!“
Die Presbyter der Gemeinde haben ein Essen für uns vorbereitet. Der große Tisch in der kleinen Stube ist sorgfältig gedeckt und bald brät das Fleisch im Hof auf dem Grill. Wir genießen es und versuchen, mit den sich wechselnden Verhältnissen immer wieder klar zu kommen.
Der Sonntagsgottesdienst führt uns mit der Gemeinde zusammen. Erntedank wird gefeiert, ähnlich wie bei uns. Die Kirche ist mit frischem Obst und Gemüse geschmückt, das meiste frisch auf dem Markt gekauft. Wer es nicht unbedingt wieder zu Hause benötigt, lässt es für den, der es nötiger hat. Danke zu sagen für die Ernte und das tägliche Brot im eigentlichen und im weiteren Sinn ist mehr als ein Ritual. Nach dem Gottesdienst übergeben wir bei Kaffee und Kuchen das Geld für die Sozialkasse und den Lohn für die Sekretärin. Wir erfahren etwas über die, die wir nicht besuchen konnten. Doch die Zeit drückt und wir verabschieden uns und fahren Richtung Hunedoara.
Eine Stunde Pause ist in Lugoj eingeplant, wir sind zum Essen eingeladen. Der Dekan der Reformierten Kirche serviert eigenhändig zubereiteten Kesselgulasch. Am sorgsam gedeckten Tisch nehmen wir Platz und fühlen uns sehr wohl und willkommen. Wir danken nach dem wohlschmeckenden Mahl und entschuldigen uns für die Eile. Weiter geht die Reise.
Am späten Nachmittag rollen wir am Schild „Racastia“ vorüber. Familie Budai, Familie Filip und einige Kinder aus dem Dorf freuen sich, als wir endlich aussteigen. Viel Zeit bleibt für die Begrüßung nicht, denn die Autos sind auszuräumen. Vor dem Dunkelwerden wollen wir noch bei Familie Varga sein.
Auf dem alten Schießplatz angekommen, stehen die Kinder schon vor der Tür. Da es Sonntag ist, treffen wir auch zum ersten Mal Peter, den Vater. Sonst war er immer als Tagelöhner auf Arbeit, heute fehlt die Mutter. Sie hilft der kranken Großmutter einige Kilometer weiter. Wir schaffen es gerade noch, bei Tageslicht die Kartons mit Winterkleidung, Küchengeschirr, Schuhen und Lebensmitteln auszuladen. Im Haus sucht Peter noch den letzten Stummel einer Kerze, während wir mit den großen Mädchen das Gepäck kurz durchsehen. Nur wenige Utensilien stehen in dem alten Küchenschrank. Dass sie es unter diesen Umständen zu Bestleistungen in der Schule bringen, ist beachtenswert. Wichtig sind wieder die Kerzen, auch eine Öllampe haben wir für sie dabei. Die Gesichter leuchten im Schein der kleinen Kerze beim Verabschieden. Wir wissen, dass es zu Weihnachten einige Spielsachen, Lebkuchen und Süßigkeiten geben wird. Ein trauriges Kapitel Leben begegnet uns hier wieder, aber aus dem Hintergrund bricht sich Freude und Dankbarkeit Bahn und strahlt aus ihnen heraus. Glaube verändert die Welt, bei Vargas erleben wir es.
Im Dunkeln geht es zurück nach Racastia. Hunedoara strahlt mit viel Licht vor uns auf, es ist kalt und trocken. Im Spiegel sehen wir die Familie mit den sieben Kindern winken, bis der aufgewirbelte Staub die Sicht nimmt.
Bei Adriana ist es warm und wir bereiten für den morgigen Schulbesuch die Kindertüten vor. Süßigkeiten, kleine Spielzeuge, Schulmaterialien, etwas zum Lesen, für jeden das Gleiche. Bei Familie Filip wird vieles besprochen. Sie leben zum großen Teil von dem, was wir bringen und nur deshalb einigermaßen stabil. Monica hat die ersten Wochen auf dem Lyzeum gut überstanden. Dringend wartet sie auf Hefte und andere Dinge für die Schule. Sie alle spüren die gestiegenen Preise sehr deutlich. Medikamente für die Schweine waren nicht mehr zu bezahlen, deshalb sind zwei von dreien nicht mehr da. Wie lange sie die kleine Kuh noch halten können, ist ungewiss. Sie kämpfen immer wieder mit den Tränen, wenn sie von den Arztbesuchen mit Iulian oder der aussichtslosen Suche nach Arbeit berichten. Hat der Sohn eine Stelle gefunden, wird er nach vier Wochen nicht bezahlt und kann gehen. „Wie bei uns!“ hören wir es zu Hause, aber hier beginnt jedes Mal der Kampf ums tägliche Essen aufs Neue. Nur die Zeitungen und Werbungen sind voll mit westlichen „Segnungen“ und verdrehen vielen Leuten den Kopf. Westliche Firmen überlegen schon nach vier Jahren wieder zu schließen, da die neuen Werke, in Serbien zum Beispiel, schon vor der Eröffnung stehen. Täglich muss dieser Kampf überstanden werden. Waschmittel oder ein Sportanzug für die Kinder sind unüberwindbare Hürden. Wir können ein Stück weiterhelfen, hoffen darauf, für die Kinder durch Bildung etwas erreichen zu können. Bisher jedenfalls halten sie durch und der Besuch des Lyzeums ist schon ein gewaltiger Schritt. Monica, Lavinia, aber auch die Varga-Kinder haben mit den Eltern verstanden, worum es geht, deshalb helfen wir gern. Nach den Besuchen der letzten Jahre beginnen Früchte zu reifen. Aber wie im Leben fängt alles Wachsen und Reifen mit dem Ziehen der Furchen an und ist so auf Hoffnung angelegt.
Der nächste Tag beginnt mit dem Besuch in der Schule. Fast alle sind gekommen, auch einige mehr. Wir erzählen mit den Kindern über die Wichtigkeit von Freundschaft und dem Miteinander. Spielen, arbeiten, helfen, beten, die Kinder verstehen das und entdecken, dass es miteinander leichter fällt. Säen nennt es der Gärtner, wenn er Samen in die Erde legt. Immer wieder steht das auf unserem Programm, auch in der Schule in Racastia. Natürlich warten die Kinder auf die Tüten. Spätestens nach dem Foto auf dem Hof wird der Inhalt erkundet. Wir sitzen noch kurz mit der Lehrerin und der Kindergärtnerin zusammen. Viele der Kinder kennen wir und ahnen, was sich oft zu Hause abspielt. Familie Karacsoni wartet auf uns. Es wird nicht einfach, wir wissen es.
Das neue Häuschen ist frisch gestrichen, Aram, Izabella und Leon warten an der Gartentür. Mutter Eti kommt uns mit Albert auf dem Arm entgegen und bittet uns herein. Eigentlich wollten wir heute die Zwillinge begrüßen, aber sie sind kurz vor der Geburt verstorben. Wir wussten das aus Telefonaten, heute erkundigen wir uns. Es ist nicht leicht und schon gar nicht zu verstehen, was wir erfahren. Drei Tage vor dem Tod war sie beim Arzt. Da aber niemand mit einem Geldschein für eine Ultraschalluntersuchung oder ähnliches winken konnte, wurde der Bauchraum nur abgehört. Drei Tage später war es zu spät. Ein Kind wog über viereinhalb, das andere fast vier Kilogramm. Fruchtwasser in der Lunge führte für beide zum Tod. Sich gegenüber sitzend bleibt nur noch miteinander zu Schweigen. Aber es muss weiter gehen; was dringend fehlt, ist der Strom im Haus. Einige Akten sind erledigt, anderes fehlt noch. Der Vater ist auf Arbeit. Er hat noch Wege zu erledigen, bis hier eine Lampe anzuschalten ist. Zweckgebunden lassen wir dafür Geld bei Familie Filip. Alexandru genießt unser volles Vertrauen. Er verwaltet für die Familie das Geld, alles ist zu belegen, sonst wird nichts herausgegeben. Für eine Roma-Familie ist das eine Herausforderung. Aber sie haben schon vieles gelernt und die Vergangenheit hat gezeigt, dass sie dazu bereit sind. Aus der mit Ungeziefer besetzten Hütte ist ein schönes Häuschen gewachsen. Aber vorher muss eben vieles in den Eltern der Kinder wachsen. Auch bei Karacsonis haben unsere Besuche wohltuende Spuren hinterlassen. Die Zeit rennt, wir fahren.
Noch einmal halten wir kurz bei Vargas auf dem Schießplatz an. Die Mutter ist zurück von der Oma. Zwei blaue Augen hat ihr ein betrunkener Verwandter hinterlassen, weil sie zum Helfen dort war. Trotzdem strahlt sie, als wir ankommen. Für die drei Mädchen bezahlen wir noch das Schulbusgeld für ein halbes Jahr, achtzig Euro. Es ist mehr, als die Familie im Monat zur Verfügung hat. Die leeren Konservendosen auf dem Kühlschrank kommen uns bekannt vor. Sie haben gegessen. Balanu wartet und wir auch. Noch einmal quälen sich die Autos den ausgewaschenen Weg hinunter.
Für den Abstecher bei der Prediger-Familie in Calan ist gerade noch Zeit. Lebensmittel, Waschpulver, Kochtöpfe und Weihnachtssüßigkeiten packen wir aus und etwas Geld für Obst. Aus Wechmar stammt alles und es wird weitergereicht. Der Vater baut an den Kinderzimmern. Während wir uns verabschieden, kommt die Mutter von der Arbeit. Gern würden wir mit jedem mehr reden. Aber das Programm fordert Disziplin und weiter geht die Fahrt. Bei herrlichem Sonnenschein erwartet uns das Retezat und von weitem erkennen wir das Tal, in das wir bald einfahren werden. Wie unsere Freunde freuen wir uns beim Wiedersehen. Wir sind gespannt auf die vor uns liegenden Tage, auf das, was im letzten halben Jahr passiert ist, auf jede Begegnung.
Schon beim Einfahren in das Dorf ist das gewachsene Haus zu erkennen und wer die Geschichte kennt, jubelt. Ein Baum wird so gestutzt, dass auch das zweite Auto einen Platz findet und mit den Autos atmen wir auf, dass endlich alles Gepäck seinen Bestimmungsort erreicht hat. Wir nutzen das Tageslicht zum Ausladen. Bis an die Kellerdecke des neuen Hauses werden die Kartons gestapelt und sortiert. Essbares muss in die kleine Küche, Werkzeug in die Hände von Angelut, Medikamente kommen ins Zimmer. Die Logistik läuft und ist eingespielt. Cristina klärt die Unklarheiten, ihr Vater packt ebenso mit an und schnell sind die Autos endlich leer.
Nach der Ankunft haben uns schon die Kinder entdeckt und jetzt ist Zeit für eine kurze Begrüßung auf der Straße. Sie freuen sich schon und fragen, wann wir mit ihnen spielen. Jetzt aber ist es kalt und das Essen ist fertig. Trotzdem, für einen Gang durch den Neubau müssen der Hunger und die Küchenfrauen Geduld aufbringen. Die zweite Etage mit der Decke ist fertig. Noch riecht es nach frischem Beton. Die Bestimmung jedes Zimmers ist uns bekannt, trotzdem staunen wir. Glaube, Mut und Vertrauen sind die Fundamente dieses Hauses, jeder von uns weiß das.
Am Tisch findet jeder seinen Platz. Die sorgsam dekorierten Teller sind nur den Erstgereisten neu. Wir ahnen und wissen um die Situation in der Familie und dem Dorf und sind dankbar für die Liebe und Sorgfalt, die uns mit jedem Essen bildhaft vorgesetzt wird. Wir erfahren, dass erst vor zwei Tagen der letzte Beton auf die Decke gegossen wurde. Die Hände waren von den Eimerhenkeln blutig. Fünfzehn Tonnen wurden per Hand und Eimer die wackeligen Stufen hoch getragen. Kurz vor Mitternacht war die Arbeit geschafft. Die Mühe können wir uns ein wenig vorstellen, nicht aber die Bedingungen drum herum. Seit Wochen essen die Männer jetzt das erste Mal wieder in Ruhe und genießen mit uns die Gemeinschaft. Wir besprechen die Pläne für die kommenden Tage, bevor wir in die Betten sinken.
Für Dienstag ist Arbeit auf der Baustelle angesagt. Der Morgen ist kalt, aber zum Glück ohne Frost. In der zweiten Etage werden die Maße verglichen und Höhen eingezeichnet. Die Elektroanlage ist herzustellen. Mit Angelut wird alles besprochen und nach dem Frühstück sind die Kräfte frisch. Die „Jugendbrigade“ kümmert sich um die Beräumung der Etage und die Trockenlegung, für manchen etwas nervig, aber es muss sein. Die Mittel sind begrenzt, doch die ortsüblichen Besen schaffen nach der Einarbeitungszeit auch ihr Pensum. Man stolpert beim Herstellen der Durchbrüche und Verlegen der Kabel nicht mehr so häufig. Der Gips wird wieder mal knapp, reicht aber gerade noch so. Stück um Stück kommen wir dem Ziel näher. Alexandru, der uns wieder aus Racastia begleitet, und Angelut helfen, wo sie können. Mittag wird zur notwendigen Pause und gegen fünf Uhr ist es fast dunkel, der Gips ist alle und wir sind fertig. Auch die Nerven haben sich beruhigt und wir freuen uns am Ergebnis. Dank gesponserter Kabel aus der Heimat war der finanzielle Aufwand äußerst gering, eine solche Installation wäre von niemandem aus dem Dorf finanzierbar gewesen. Während der Arbeit erscheinen vor unseren Augen immer wieder die Bilder aus der Planungsphase, über die ersten Fundamente bis zur jetzt fertig gestellten zweiten Etage. Nur wenige haben nicht gezweifelt, aber in Gedanken feiern wir mit den Kindern des Dorfes schon die Einweihung des Hauses, das einmal die Sozialküche, einen großen Speiseraum, Arztzimmer, ein öffentliches WC und ein Badezimmer für die Leute des Dorfes beherbergen wird. Im Obergeschoss entsteht die Wohnung für Cristinas Familie, ebenso ein Büro und Lagermöglichkeiten für das Dorf. Das Haus wird neben der Möglichkeit gemeinsamen Essens der Dorfbewohner und Kinder erstmalig auch die Möglichkeit zur Erledigung von Hausaufgaben in einem normalen Umfeld bieten.
Viele der Hütten haben keinen Strom und oft kaum einen Quadratmeter Platz pro Person. „Wenn sie nur arbeiten würden, ginge es ihnen besser!“ - Diese Argumente von zu Hause klingen wieder in unseren Ohren. Schnell sind die Menschen in Schubladen gepackt und diese verschlossen, fertig sind unsere Urteile vor jeder Kenntnis der Realität. Bevor hier ein Stein bewegt werden konnte, war gegenseitiges Vertrauen nötig. Dieses Geschenk wurde uns beiderseits und gegenseitig schnell zuteil. Bevor die Furchen gezogen und ein Same in die Erde gelegt wird, braucht es Vertrauen und die Hoffnung auf das Gedeihen eines späteren Tages. Hier in Balanu war der Boden vorbereitet, wir erleben mit jedem Besuch, dass die Saat wächst, dass der Geber aller guten Gaben Gedeihen gibt. Wir nennen es Segen und sind für diese Erfahrung dankbar. Eines Tages werden wir mit den Kindern feiern, davon träumen wir seit dem ersten Bleistiftstrich für dieses Haus.
Am nächsten Tag warten die Kinder in der Schule und dem Kindergarten auf uns. Kurze Gespräche an den Hütten und Zäunen mit den Leuten sind mehr als freundliche Gesten. Wir wünschen diesem Ort und den Menschen eine Perspektive, gerade wegen der vielen sozialen Notstände. Wir wissen uns hierher gerufen, das gibt uns Mut, auch angesichts der Umstände, der Hütten und der vielen Missstände. Wir haben einen anderen Horizont bekommen, seit wir hierher fahren. Viele der Bewohner haben erst wieder gelernt, aufwärts zu blicken.
Die Arbeitsmaterialien für die Schule haben ihr Gewicht und jeder von uns ist froh, oben auf dem Berg an der Schule angekommen zu sein. Herr Valeri, der Lehrer, freut sich über den Besuch. Es wird gebaut im Haus. Wer bei dem Lärm lernen will, muss zäh sein. Ein größerer Kindergartenraum und ein Sanitärtrakt entstehen. Mit den Bauarbeitern hoffen wir auf einen baldigen Abschluss. Im engen Kindergarten quetschen wir uns zwischen die Kleinen, die uns ein neues Lied vorsingen. Wir belohnen den Mut mit Schokolade. Kreide, Hefte, Mal- und Bastelutensilien, Spielzeuge und Süßigkeiten für die Weihnachtszeit bleiben da und wir verabschieden uns, nicht ohne die Kinder einzuladen.
Am Nachmittag kommen zwei Autos aus Temeswar. Einige nutzen die Gelegenheit, um ein Stück in die Berge mit ihrer prächtigen Herbstfärbung zu kommen. Die Sonne verwöhnt uns jeden Tag neu in herrlichster Umgebung. Eine Sozialpädagogin und ein Psychologe halten mit den Kindern ein Seminar ab. Wir haben sie gebeten, mit den Kindern über die Notwendigkeit von Hygiene und ähnlichen Dingen zu reden. Bereits vor einem halben Jahr haben die beiden mit den Erwachsenen gesprochen. Nun sind die Kinder an der Reihe und ihnen werden Bakterien und ihre Gefahren ebenso erklärt wie der Schutz vor ihnen. Es ist wichtig und die Kinder arbeiten fast zwei Stunden mit. Sie verstehen schnell und sehen die Notwendigkeit von Sauberkeit und Hygiene ein. Die Realitäten zu Hause sind oft sehr weit entfernt von dem Gelernten. Soll deshalb auf eine solche Aufklärung verzichtet werden?
Inzwischen war ein Teil unserer Gruppe in Hateg, einige Dinge mussten besorgt werden. Die Preise unterscheiden sich nicht von denen in Temeswar. In Balanu leben die meisten ausschließlich vom Kindergeld, acht Euro pro Kind. Arbeitsmöglichkeiten fehlen mangels Qualifikation, für Qualifikation fehlt das Geld, ein endlos scheinender Kreislauf. Wer kann, arbeitet im Ausland, oft viele Monate, manchmal ein Jahr lang. Zu Hause angekommen, ist das Geld schnell ausgegeben, denn mit Blick auf die Zukunft zu wirtschaften, das haben nur wenige gelernt. Deshalb bemühen wir uns um die Kinder und um deren Bildung. Der Weg ist hart, aber soll deshalb nicht gearbeitet werden? Auch wir müssen es lernen zu vertrauen und auf Hoffnung hin zu arbeiten. Dass es sich lohnt, spüren wir in vielen Begegnungen und Situationen, erklären können wir es nicht und suchen selbst nach Worten. Auf der Straße rollen die Bälle und die Kinder sind glücklich, uns dabei zu haben. Die halbe Nacht wird noch erzählt, bis das letzte Licht ausgeschalten ist.
Am Morgen ist der Hahn der Wecker, für manchen von uns viel zu früh. Die Morgentoilette am Brunnen oder am Fluss vertreibt alle Müdigkeit. Einige Kinder werden von uns nach Clopotiva zur Schule gefahren, sechs Kilometer. Im Winter ist das der Fußweg am Morgen, am späten Nachmittag sind sie zurück. Wenn ihnen Cristina nichts zu Essen mitgibt, kommen sie mit leerem Magen wieder nach Hause, im Dunkeln. Ancutas Hose reicht gerade über die Knie und die dunkelblaue Strumpfhose darunter liegt in großen Falten. Die Kinder unterscheiden sich äußerlich von den anderen in ihrer Schule, es ist nicht einfach. Am nächsten Morgen hat das Mädchen eine neue Hose aus einem unserer Kartons an.
Noch einmal fahren einige nach Hateg zum Einkauf, die Zurückbleibenden besprechen die weitere Planung für das Haus, übergeben Geld für das Dach, medizinische Behandlungen, Sozialküche und andere Notfälle. Bald sind die Kinder aus der Schule zurück und warten am Zaun. Die Küchenbrigade wird durch sie verstärkt und das für den Nachmittag geplante Essen zubereitet. Pünktlich um drei sind fast alle Kinder versammelt und der Kindergottesdienst beginnt.
Die Lieder singen die meisten auswendig, die anderen lernen beim Singen. Sie lassen sich einbeziehen und es geht nicht an ihnen vorüber. Die Rede ist vom „Miteinander-auf-dem-Weg-sein“. Dabei wird jedes Wort buchstabiert. Wir lernen das mit den Kindern gemeinsam. Auf einander achten, niemanden überfahren, den Langsamen nicht vergessen, wir merken, wie ihre Gedanken mitgehen. Ein wenig sind sie in den letzten Jahren gewachsen und ein wenig haben sie schon verstanden. Gebe Gott, dass die Spuren eindrücklich bleiben, die wir hinterlassen. Sie brauchen Hände die sie halten, sie streicheln, sich um sie sorgen. Immer wieder rutschen sie dicht an uns heran, jeder will ein Stück unserer Hand ergreifen. Hat es jemand geschafft, wird er oder sie ruhig. Als uns das bewusst wird, bekommen wir eine Gänsehaut. Sie blicken uns an und wir sehen in ihren Augen nicht die Bitte um Schokolade oder sonstiges, sondern die vielen Fragezeichen im Blick auf die Zukunft. Das können die Kinder nicht wissen, aber wir erkennen unsere Verantwortung.
Im Hof ist das Essen vorbereitet. Das Tischgebet ist auch für die Kleinsten selbstverständlich. Nudelsalat mit Wienern steht auf dem Speiseplan und im Anschluss Schokoladenpudding mit Banane. Auch die Erwachsenen sind jetzt mit da und die taubstumme Victoria sagt mit ihren Augen „Danke!“. Die Kinder wissen, dass hinterher gespielt wird und als die Medizinbälle kommen, wollen sie damit Fußball spielen. Wir können die alte Blechbrücke nicht so schnell überqueren, denn der Gedanke an versagende Statik liegt nahe und das Wasser darunter ist kalt. Die Blechplatten rutschen hin und her, es klappert und dröhnt und die Löcher sind fast so breit wie die Brücke. Die Kinder stört das wenig. Sie wollen spielen. Medizinbälle fliegen, der Fußball rollt, Seile kreisen und Kinder springen. Wer nicht so viel Ausdauer hat, hängt sich irgendwie an uns dran. Die Größeren messen ihre Kräfte im Laufen, es ist wieder ein buntes Miteinander von Klein und Groß, aber eben ein Miteinander, das wollen wir ja erreichen und es funktioniert.
Am Abend treffen wir uns oberhalb der Schule, wo die Jungen das Lagerfeuer vorbereitet haben. Eindrucksvoll breitet sich die Abendstimmung über dem Tal mit der untergehenden Sonne und der herrlichen Laubfärbung des Gebirges aus. Hier oben ahnt niemand etwas von dem Dorf wenige Meter weiter unten und den erbärmlichen Hütten. Der Mond erscheint und mit ihm die Sterne, die gleichen wie bei uns in Deutschland. Das Stockbrot ist heiß, manchmal etwas schwarz, aber es schmeckt. Zum Abschluss singen die Kinder ein Lied und die Schulkinder bekommen Kerzen, die uns den Abstieg ins Dorf erleichtern. Es ist mehr als ein Symbol, wenn jetzt die Kinder, das Licht in den Händen haltend, durch das Dorf gehen. Um das zu verstehen, muss man mit dem Herzen sehen können. Einige Leute im Dorf haben seit vielen Jahren die Vision, dass sich gerade hier etwas verändern wird. Für sie bedeutet der Glaube mehr als Kirchenzugehörigkeit, er ist die tragende Säule im Leben. Das erleben sie und das erleben wir mit ihnen. Zurück an der Kirche sagen wir allen „Auf Wiedersehen - la revedere“. Die Kerzen werden verteilt an die, die zu Hause ohne Strom sind. Ancuta bekommt ein Fahrrad, mit dem sie bis zum ersten Schnee zur Schule fahren kann. Sie fragt vorsichtshalber zweimal nach, ob es jetzt wirklich ihr gehört.
Frischer Fisch aus dem Fluss steht zum letzten Abendessen auch auf dem Tisch. Schon lange ist es dunkel, wir haben Strom und somit auch Licht. Viele, wie Ancuta mit ihren elf Angehörigen in dem einen kleinen Raum, sitzen jeden Abend im Dunkeln. Fast täglich kommt jemand und bittet um ein Brot, etwas Zucker oder eine Kerze. Cristinas Mutter gibt heraus was sie hat, auch ohne Geld, nur die Hälfte der Leute können zahlen. Kerzen sind schon lange alle, wir füllen die Kiste auf.
Bis lange nach Mitternacht erzählen wir noch mit Cristina und Angelut an diesem letzten Abend. Wir beraten, wie es weitergeht, schmieden Pläne und vergessen dabei nicht die Realität. Oft stehen die Tränen in den Augen, aber das Wissen um das Geborgensein in einer stärkeren Hand, die buchstäblich und minutiös erfahrene Hilfe daraus stärken uns den Rücken und ermutigen zum nächsten Schritt. Wir versuchen vorwärts zu blicken, auch wenn es an diesem letzten Abend schwer fällt.
Am nächsten Morgen sind die Taschen in den Autos verstaut. David hat die Schule geschwänzt und wartet auf eine letzte Streicheleinheit. Angelut bedankt sich für alle Hilfe, nicht zuletzt auch noch einmal für das neue Akkordeon und betont, wie sehr es ihn von Herzen freut. Viele Worte werden nicht gesprochen. Beim Abschiedsfoto beginnt es zu regnen, das passt zur Stimmung. Um breite Pfützen gibt es keinen Ausweg, hinter uns bleibt die Spur der Reifen. Von Alexandru und seiner Familie verabschieden wir uns in Racastia .
In Temeswar warten die Hühner, goldbraun, um als Abschiedsessen verspeist zu werden. Vorher wird noch das Kellerlicht repariert und die „Installation“ in einen halbwegs tragbaren Zustand versetzt. Wir erfahren, dass der Großvater von Ana-Maria gestern verstorben ist. Kaum sechzigjährig, hat das Herz seinen Dienst versagt. Es wird schwer werden für die Frau.
Der nächste Tag bringt die Heimreise. Wir kommen zu Hause an und der Film in uns läuft rückwärts. Es wird einige Zeit brauchen, bis wir wieder richtig da sind. Allen, die uns durch Sach- und Geldspenden, mit Grüßen und Gebeten auf dieser Fahrt „begleitet“ haben, geben wir den Dank unserer Freunde und Bekannten weiter. Die Wichtigkeit jeder Hilfe ist aus oder zwischen unseren Zeilen ansatzweise zu entnehmen. In Temeswar werden ältere Leute Lebensmittel und Medikamente bekommen, in Racastia werden Familien einfach ein Stück weiter leben können und in Balanu wird wieder Weihnachten gefeiert werden, in der Kirche und unten im Keller, wenn alle Kartons umsortiert und für jede Familie und jedes Kind ein Sack gepackt ist.
Die Fotos zu Hause sind entwickelt. Beim Ansehen entdecken wir sie an verschiedenen Stellen, vor dem Csiki-Haus im Schlamm am deutlichsten, die Spuren, die wir hinterlassen haben. Mögen sie Zeugnis geben von der Hoffnung, die uns mit den Partnern in Rumänien verbindet. Möge jede Hilfe, die von Ihnen durch unsere Hände hindurch andere erreicht hat, eine Spur hinterlassen, die für Vertrauen und Hoffnung steht. David hat die Schule geschwänzt um einer Streicheleinheit willen, Zeichen einer Spur, die direkt in die Herzen führt. Das wollen wir erreichen und bleiben davon selber nicht verschont.
Danke an Sie alle, die dabei geholfen haben, die sich vom Hausschuh bis zum Auto eingebracht haben, jeder mit seiner Möglichkeit. Viele Teile ergeben ein Puzzle, keines darf fehlen. Am Ende steht das Bild, an dem Sie mit gebaut haben. Gebe Gott seinen Segen für die Arbeit und Ihnen, die sich in dieses Werk einbinden ließen.