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Oktober 2016 - Alles außer(-)gewöhnlich

Das Jahr 2016 geht dem Ende entgegen und erst vor wenigen Tagen endeten die Arbeiten in Verbindung mit dem diesjährigen Herbsttransport des Arbeitskreises. Lange vorher, im Oktober 2015, gab es aber dazu schon die ersten Vorbereitungen. Sie begannen mit einem Anruf einer Gothaer Schülerin der 12. Klasse. Sie äußerte damals den Wunsch, ein Jahr in einem unserer Projekte tätig sein zu können.

Dieser Gedanke bewegte uns also schon auf der Fahrt des letzten Jahres und so rückte mit dieser Reise für Johanna der Termin für ihr Vorhaben immer näher heran. In der Vorbereitung entstand über die Diakonie Mitteldeutschland so die Stelle zum Internationalen Freiwilligendienst in Balanu und Johanna nahm, nach erfolgreich abgeschlossenem Abitur, für die Stelle in Balanu nun auch Platz im Auto. Vieles war im Vorfeld dafür zu bedenken und zu regeln, für uns, für die Freunde in Balanu und nicht zuletzt für Johanna und ihre Familie. Die Herausforderungen, denen sie sich stellte, sind nicht zu unterschätzen. Nicht nur die neue Umgebung und die Entfernung von der Familie, sondern auch - um es freundlich auszudrücken - die inselartige Lage des Dorfes, die Mentalität, die soziale Härte der Region und die fremde Sprache sind Gegebenheiten, denen dauerhaft entgegenzutreten nur wenigen Menschen zuzumuten ist. Damit zumindest der Abschied von der Familie nicht zu schwer wird, begleitet ihre Mutter sie und uns auf der für sie schon dritten Fahrt. Die Anzeige der Waage, belastet mit dem gepackten Transporter, steht vor der Fahrt schon ohne Mitreisende knapp über dem Limit, wie meistens. Ungefähr dreißig Kubikmeter Ladung bleiben zu Hause bis zur Abholung durch den Lkw. Zu fünft starten wir am Morgen des 19. Oktober.

Eigentlich waren wir sechs, denn zwei Minuten vor der Abreise wurde noch Horst, der große Plüschhase, zwischen Gepäck und Rückscheibe gequetscht. Er sollte Johannas Gefährte werden. Baumaterial, Lebensmittel, Kleidung, Schuhe, Drogeriewaren, Werkzeuge, Schulsachen und mehr füllen auch diesmal den Laderaum, der bis zum letzten Zentimeter ausgestopft ist. Österreich, Ungarn, Rumänien – auch der Weg ist immer wieder der gleiche, doch neu ist auch jetzt die Dankbarkeit darüber, gesund und wohlbehalten in Temeswar angekommen zu sein. Platz zum Einrangieren in die enge Toreinfahrt ist vorbereitet und vor allen Begrüßungsritualen wird ausgeladen und für die weiteren Stationen sortiert. Dann entspannt sich die Lage beim Abendessen. Vieles gibt es zu berichten, war doch erst vor zwei Wochen die große Einweihung der von außen neu renovierten Kirche.

Der nächste Morgen gibt den Blick auf sie frei. Komplett neu verputzt und gestrichen, ausgestattet mit neuen Stuckelementen und neuer Turmhaube – genannt Laterne – gehören die Unansehnlichkeiten und Gefahren durch lose Steine und Bleche der Vergangenheit an. Möglich wurde diese aufwändige Sanierung durch viele Anträge an staatliche sowie kirchliche Stellen und eben auch durch Spenden unsererseits. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass jetzt alles repariert ist und nichts mehr abzustürzen droht. Die Gefahren waren enorm und vielfältig. Noch einmal bedankt sich Pastor Kovacs für die Unterstützung. Doch eine „Baustelle“ blieb noch offen. Durch die neuen Schallfenster im Glockenbereich des Turmes fliegen noch unbeirrt die Tauben aus und ein. Ob wir das erledigen können, ist die Frage des Pastors. Hoffnungsvoll lenken wir unsere Schritte in Richtung des Praktiker-Baumarktes, der, nur eine gute Viertelstunde Fußweg entfernt, immer noch existiert. Auf der Suche nach dem entsprechenden Drahtgeflecht werden wir bald fündig, ebenso findet sich unter dem zahlreich anwesenden Personal eine Dame, die mehr oder weniger gewillt erscheint, uns zu bedienen. Unser Wunsch, die vier Stücke einzeln abschneiden zu lassen, lässt ihre Motivation endgültig in den Keller rutschen. Wir machen ihr Mut, dass die Rolle reicht und fassen mit an. Die von ihr zur Hilfe gerufene Kollegin allerdings besteht jetzt auf ihrem Recht zu essen, nicht wissend, dass wir den Disput gut verstehen. Endlich an der Kasse bezahlt, grüßen wir noch den mit Gummiknüppel und Waffe ausgerüsteten, uniformierten Sicherheitsbeamten, der jede Regung der Kunden beim Bezahlen überwacht und marschieren mit unserer Rolle zurück. Von Marschieren kann aber keine Rede sein, denn die Straße befindet sich im Bau. In treuer rumänischer Manier umwandern wir die Löcher, gehen über frischen Asphalt, helfen einer jungen Mutter mit dem Kinderwagen oder stolpern über herausragende Stahlstangen, während andere Fußgänger über längs des Weges verteilte Versorgungsrohre balancieren.

Wir erklimmen die Glockenstube und bemühen uns redlich, den im Turm verbliebenen Tauben zu raten, die Freiheit zu wählen. Es ist wie mit den Menschen, einige meinen es immer besser zu wissen. Ein Fenster nach dem anderen wird sorgsam vergittert und reinkommen kann nun bald kein Vogel mehr.

Johanna indes lässt sich mit ihrer Mutter das rumänische Großstadtflair um die Nase wehen und sammelt erste Eindrücke von der Stadt. Vom Domplatz sind die letzten Baueinrichtungen verschwunden und man flaniert an den kleinen, aber teuren Cafes vorüber. Der Freiheitsplatz wurde im Zuge der Stadterneuerung gezwungen, seine parkähnliche Gestalt zu Gunsten roter Betonsteine aufzugeben. Der Volksmund nennt ihn daher heute den „Roten Platz“. Er wird als solcher benötigt, um zu nationalen Feiertagen, das hier auch ansässige Armeemusikcorps aufmarschieren zu lassen. Im Telefonshop rüstet sich Johanna aus, um während ihres Aufenthaltes in Rumänien kostengünstig mit der Heimat kommunizieren zu können.

 Am nächsten Tag ist eine Tour durch die Außenbezirke der Stadt angesetzt. Pastor Kovacs ließ sich das nicht nehmen. Wir wählen dazu auf Grund der chaotischen Verkehrssituation den öffentlichen Nahverkehr mit Bus und Tram, was sich ebenfalls zum Erlebnis für alle Sinne entwickelt. Wer den Pastor kennt weiß, dass die Stadtführung etwas ungarnlastig wird, doch es stört niemanden. Vieles weiß er über die großen Plätze, stuckverzierten Häuser und großen Kirchen zu berichten, die wir bisher auch noch nicht zu Gesicht bekamen. Allerdings wird einem nicht wohler, wenn man darüber sinniert, wie das alles wohl in zehn Jahren aussehen soll, denn nicht nur die evangelische Kirche bedurfte dringend der umfassenden Sanierung. Längere Wartezeiten erhöhen die Chancen auf neue Erfahrungen in den überfüllten Fahrgelegenheiten. Wir entspannen zu Hause und bereiten am nächsten Tag den Besuch im Kinderheim in Jimbolia vor. Schon in der Nacht kamen unsere beiden extra Angereisten aus Magdeburg an, die uns in der nächsten Zeit begleiten wollen.

Samstag 15 Uhr rollen wir pünktlich vor das Kinderheim. Natürlich warten die Kinder und Piroska mit ihrer Schwester und die Aufregung der Kinder ist groß. Gern helfen sie beim Ausladen. Winterkleidung, Schuhe, Schul- und Bastelsachen und so mancher Überraschungskarton stapeln sich im Speiseraum. Während sich die eine Hälfte unserer Gruppe mit den Kindern beim Spielen vergnügt, erklären die anderen Piroska die mitgebrachte Kettensäge und die Motorsense. Die Frauen haben schon Mut, auch solche Arbeiten selbst zu erledigen, aber es lässt sich vieles nicht mehr finanzieren. Dankbar sind sie auch für den Samen, der im Frühjahr im Garten für Gemüse und Blumen sorgen wird. Gerade vor wenigen Tagen sind die beiden Schwestern erst von der Beerdigung des Vaters zurück gekommen, während sich die Kinder für einige Tage in einer anderen Einrichtung aufhielten. Trauer und Freude mischen sich täglich und hoch konzentriert auf engem Raum.

Wir beenden das Spiel und teilen die Kinder in zwei Gruppen. Während die einen den vorbereiteten Karton auspacken und einen Teig kneten, bereiten die anderen den Grill vor. Das Ganze ergibt ein gemeinsames Abendessen mit Thüringer Bratwürsten und leckeren Plätzchen, bestrichen mit vorzüglichem Guss. Nicht jeder Tag verläuft hier so, aber eben dieser Tag doch. Übrig bleiben schöne Stunden, liebevolle Begegnungen und die mitgebrachte Torte, die wir natürlich heute nicht mehr essen. Mit einer Prise Wehmut gewürzt, gestaltet sich die Verabschiedung auch dieses Mal. Wir alle müssen es lernen, nach vorn zu sehen, insbesondere die Kinder. Sie haben Zeiten hinter sich, über deren Details wir sicher nicht berichten können und wollen, auch wenn wir damit immer konfrontiert sind, wenn wir ihnen gegenüber stehen oder mit Piroska darüber reden. Als wir in Temeswar ankommen ist es schon dunkel.

Am Sonntagmorgen ist der Ansturm der Tauben oben am Turm etwas größer als unten an der Kirchentür, doch zumindest kommt man unten in die Kirche rein und nach dem Gottesdienst auch wieder heraus. Wir hören auf Texte des Apostel Paulus und entdecken uns immer wieder als Adressaten seiner Worte. Bei anschließendem Kaffee und Kuchen entwickeln sich immer nette Gespräche. Wir stellen Johanna mit ihrer Absicht des Aufenthaltes vor und das Staunen über ihr Vorhaben ist nicht gering. Ebenso bietet sich die Gelegenheit, der neuen Vorsitzenden des Presbyteriums die Spenden für so manches Problem in der Gemeinde zu übergeben. Die Tauben bleiben in der Nähe des Turmes und wir türmen in Richtung Hunedoara.

Wieder verkürzt ein Stück der neuen Autobahn die Fahrtzeit. Wenn auch nicht sehr viel, so fährt es sich doch viel ruhiger als noch vor wenigen Jahren. Vom großen Kombinat oberhalb der Hunyadenburg ist kaum noch ein Rest zu sehen. Alexandru erwartet uns hier. Er ist seit dem Sommer noch nicht wieder zur Arbeit nach England abgereist und begleitet uns zu Familie Varga den Berg hinauf. Der vom Regen ausgewaschene Kiesweg ist nicht mehr als solcher zu bezeichnen und selbst der Transporter hat Mühe, irgendwie seine Spur zu finden.

Mit den Eltern stehen die beiden kleinen Mädchen an der Ecke ihres… - man weiß nicht wie man es bezeichnen soll – Zuhauses. Nennen wir es „Bude“, würden wir ihre Würde schwer verletzen, aber es ist nicht mehr als eine Ruine, die sie sich zumindest im Inneren immer wieder notdürftig erhalten und sich darin arrangieren. Es ist ihr Zuhause und es bedeutet für sie die einzige Bleibe, in der sie als Familie ihr Leben verbringen, in der sie wohnen. Früher waren sie zehn Personen. Die größeren Kinder sind in der Stadt verheiratet und arbeiten. Die beiden Söhne verleben einige Tage auf einer christlichen Freizeit. Deshalb erwarten uns heute nur die beiden Mädchen und natürlich die Eltern. Alle helfen beim Ausladen der Kleidung, Schuhe und Lebensmittel. Während die einen mit den Kindern spielen - glücklicherweise hatten wir noch einen Ball für sie im Gepäck – erkundigen sich die anderen im Gespräch nach der Familie. Was sollen sie sagen? „Es ist alles gut, alle sind gesund, dem Herrn sei Dank dafür, Holz für den Winter gibt es noch nicht. Die Kinder lernen gut in der Schule. Wir sind zufrieden.“ Wir lassen uns Schulhefte zeigen und sind beeindruckt. Die gute Nachricht ist, dass die Familie jetzt einen Antrag zum käuflichen Erwerb des Grundstückes stellen durfte. Wenn das genehmigt und dann erledigt würde, hätten sie zum ersten Mal eine Rechtssicherheit für ihre Bleibe und man könnte endlich das Haus als solches notsanieren und herrichten. Rundherum wachsen kleine Gebäude, aber auch nur in der Größe kleiner Gartenhäuser. Wir nehmen diesen Hoffnungsschimmer auf und verabschieden uns nach einer knappen Stunde. Sie gehören zu denen, die uns in ihrer demütig ertragenden Not ins Herz gebrannt sind und die wir keinen Tag vergessen.

Cristi mit seinen zwei Rebecas kommt uns in großer Freude am Ende des Dorfes aus dem kleinen Häuschen entgegen. Er fühlt sich nach schwerer Krankheit gut und kräftig und bittet uns herein. Um eine Motorsäge hat er schweren Herzens gebeten und die findet mit einigen Küchenutensilien, Lebensmitteln und Winterkleidung auch den Weg ins Innere. Es blitzt vor Sauberkeit und wir reden über den Job der großen Rebeca in einem Hotel unten in der Stadt. Das Pflegegeld für ihn als Erwerbsunfähigen nach dem Lungenkrebs strich der Staat vor einiger Zeit erheblich zusammen. Die kleine Rebeca kommt mit einer Geschenktüte, in der etwas Gebasteltes und ein Brief steckt. Darin bedankt sie sich mit deutschen Worten für alle Liebe, die sie erfahren hat. Das zu lesen und sie dabei vor sich zu sehen, muss man erst einmal trocken überstehen! Auch ohne ein Wort der Unterhaltung zu verstehen, ist für jeden in diesem einen Zimmer etwas zu spüren, was man mit Worten nicht beschreiben kann. Diese Familie, deren Leben auf äußerst dünnem Eis in vielerlei Hinsicht verläuft, strahlt eine Ruhe und Geborgenheit aus, die wir in unserer Umgebung nur selten antreffen.

Johanna, zum das ersten Mal in Rumänien und so auch bei diesen Familien, fühlt sich ohne Worte willkommen. Sie vergleicht und erkennt schnell den Abstand von sonst Gewöhnlichem - nämlich, dass niemand in aller Tristesse nur daran denkt, den Kopf in den Sand zustecken. Sie wissen um eine Hoffnung und leben diese, dankbar auch über die Verbindung zu uns. Sie können nun selber ihr Holz sägen, sobald sie welches gekauft haben und brauchen niemanden mehr zu bitten und zu bezahlen. Noch oft kommen Nachrichten des Dankes und wir bleiben in enger Verbindung, auch wenn wir uns nun verabschieden.

 Zu Abend essen wir, wie schon viele Jahre, bei Adriana und Andrej. Der Sohn studiert in Klausenburg und es gibt genug Gesprächstoff. Bei Filips ist das ebenso. Alexandru hat während des Sommers sein in England verdientes Geld restlos in das Haus gesteckt. Der letzte alte Teil des Dachstuhls drohte unter der Last der Wellasbestplatten einzubrechen. Der Holzwurm hatte die Balken zu Pulver zermahlen. Jetzt ist alles gewechselt und neu bedacht mit den im ganzen Land zu findenden ziegelähnlichen Blechplatten. Auch der marode grüne Bretterzaun hat schon die Zimmer erwärmt und stolz verweist Alexandru auf den selbstgebauten Metallzaun, einer Schmiedearbeit ähnlich. Akribisch fügen sich die vielen Einzelteile zu Feldern und so zu einem Zaun und wir staunen über ein solches Ergebnis. Sonst gibt es noch genügend Mängel am gesundheitlichen Zustand der Familie und die Geschichten der ärztlichen Versorgung und Behandlung sind für uns alles andere als normal.

Alle Ärzte, die es einigermaßen schaffen verlassen das Land, weil sie mit den 300 Euro Gehalt nach dem Studium niemals auskommen. Wo sie sich niederlassen wissen und erleben wir selbst in unserer Umgebung. Doch die medizinische Versorgung im Land ihrer Ausbildung ist nicht nur schlicht ein Fiasko, sondern führt bei nahezu jedem Patienten zum Kampf, der auf eine medizinische Untersuchung und Behandlung angewiesen ist und ohne Rücklagen blieb. 300 Kilometer oder mehr in ein besseres Krankenhaus gehören ebenso zur Tagesordnung wie endlose Odysseen von einem Arzt zum anderen wegen Kleinigkeiten. Wohlgemerkt sind das alles Privatärzte mit privaten Honoraren. Krankenfahrten über diese Entfernungen sind oft selbst zu organisieren und zu finanzieren. Es lässt einen nicht nur den Kopf schütteln, sondern es macht wütend, wenn man weiß, dass die Krankenversicherung mindestens ebenso teuer ist wie in Deutschland. Wer jedoch keine Arbeit hat, wovon soll er sie bezahlen und vor allem warum – eine Spirale ohne Ende. Wir verabschieden uns, wissend, ein wenig geholfen zu haben, auch wenn wir natürlich nicht alles erledigen können.

Alexandru hofft, sich als Taxifahrer wieder etablieren zu können und doch wieder zu Hause sein Geld zu verdienen. Es gibt einfach zu viele Probleme mit seiner Abwesenheit. Er freut sich, uns nach Balanu begleiten zu können, denn er weiß, dass es dort immer etwas zu erleben gibt und Abwechslung tut ihm auch mal gut. Dunkel ist es schon lange und nach einer knappen Stunde hupen wir bei unseren Freunden an der Straße, die dann zu Ende ist, in Balanu.

Johanna weiß, es wird ihr neues Zuhause. Ein Jahr hat sie sich innerlich und äußerlich darauf vorbereitet. Zwischen allen Kartons mit Kleidung, Schuhen und Lebensmitteln, Fenstern und Installationsmaterialien wandern bald auch ihre großen Umzugskartons und nur schwer zu schulternden Rucksäcke ein letztes Mal aus dem Transporter, der nach aller Entlastung dankbar knarrt. So gewichtig wie das Ergebnis Johannas äußerer Vorbereitungen in Form ihres Gepäcks, wird auch ihre Mitarbeit in den nächsten Monaten hier sein. Bereits bei den Vorbereitungen zeigte sich, dass es nicht nur eine interessante Idee war, sondern dass sie ganz gezielt und ungewöhnlich klar nach vorn ausgerichtet, in diesen Dienst einsteigt. Das soll sich auch in den nächsten Tagen deutlich herausstellen. Wir beziehen aber nach dem Ausladen erstmal unsere gewohnten Quartiere und genießen das längst vorbereitete Abendessen. Mit dem Tee hapert es etwas, denn der ist alle – genau wie alles andere aus dem Vorratsraum. Wir planen den nächsten Tag.

Im Hellen ist das neue Gebäude zu sehen, das den Platz des alten Schuppens, und etwas mehr, eingenommen hat. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Kontrollen bezüglich der Essensversorgung der Kinder und Mittellosen. Willkürlich wurde immer von neuem beanstandet, reklamiert und bemängelt, bis schlussendlich mittels immer größeren Geldscheinen doch alles erst einmal in Ordnung war. Schließlich wollen die behördlich Angestellten auch leben. Niemand fragt nach den Situationen derer, die teilweise immer noch aus Platzmangel überall schlafen, nur nicht in einem vernünftigen Bett. Niemand kümmert sich um hygienische Grundstandards in diesem Dorf und das Recht auf ein Existenzminimum. Niemand fragt nach einer sozialen Struktur oder gesundheitlicher Betreuung und Versorgung derer, die nicht mehr auf die Straße gehen oder nicht einmal mehr aufstehen können. Uns in Deutschland umgebende Gewohnheiten existieren hier nicht im Ansatz und es interessiert kaum jemanden. Deshalb musste dieses Haus gebaut werden, denn die Scheine reichen bald nicht mehr. Der Sitz des Vereins wird „offiziell“ vom Privaten getrennt und damit ein Weg gefunden, die begonnene Arbeit in Ruhe weiter fortführen zu können. Ein neuer und größerer Speiseraum ist für das kommende Jahr entstanden. In der Perspektive wird es unter dem Dach ein Büro und einen Versammlungsraum geben. Das Geld von der Obsternte war schon vor Arbeitsantritt auf Grund der Bauarbeiten und dann noch unvermutet eingetretenen gesundheitlichen Problemen in der Familie, aufgebraucht. Trotzdem suchen sie nach Möglichkeiten und geben alles, um für das Dorf, die Kinder, Alten und Mittellosen Notwendiges zu ermöglichen. Die Notwendigkeiten beginnen beim Essen und der Hilfe in gesundheitlichen Notlagen und reichen bis zu sozialer Betreuung. In diesem Bemühen ziehen wir gemeinsam an einem Strick und Johanna wird da, auch nach unserer Abreise, kräftig mit zufassen.

Drei große Bauöffnungen warten auf Fenster und es dauert nicht lange und die der Firma TMP aus Bad Langensalza passen exakt in die vorgefertigten Maße. Während der Montage schachtet ein anderer vom großen Haus einen Kabelgraben herüber, der Nächste bohrt Löcher oder setzt Dosen ein. Am Abend sind die Arbeiten beendet und die Elektroanlage lässt ein Stück Balanu mehr in neuem Glanz erstrahlen. Fast routinemäßig laufen die Arbeiten im längst eingespielten Team und jeder erledigt seine Aufgaben in der erforderlichen Qualität. Sie wird überprüft und für gut befunden. Alle sind zufrieden. Viele solcher gemeinsamen Aktionen haben auch unsere Freunde die Ansprüche an sauberes Arbeiten gelehrt und im Rückblick erkennen sie, dass es sich immer lohnt, nicht nur fertig zu werden, sondern auch auf möglichst genaue Ausführung zu achten. Natürlich wird hier und da nachgebessert. Auch im Rohbau sind qualitative Fortschritte deutlich erkennbar.

Daniel, Cristinas Sohn, hat im Sommer seinen Abschluss als Meister im Baugewerbe an einem Speziallyzeum in Deva mit einem spitzenmäßigen Ergebnis bescheinigt bekommen. Er kommt bei uns dem eines Vorarbeiters gleich. Nach noch einem Praktikumssemester wird Daniel aus dem Dorf der erste sein, der so etwas erreicht hat. Kaum sind die Fenster eingebaut, kleidet er die Nischen aus. Kabelschlitze sind am Abend verputzt und der Raum ist gereinigt. Als sich beim Abendessen andeutet, dass die Arbeiten vorfristig abgeschlossen sind, hat Angelut, Cristinas Mann, doch noch eine Idee und fragt uns, ob wir mit ihnen zusammen noch die Decke mittels Gipskartonplatten fertigstellen können. Damit brauchen wir uns keine Gedanken um Freizeitgestaltung zu machen und sagen auch gern zu.

Allein der Mangel an Schrauben muss am Morgen behoben werden und irgendwann erhält schließlich auch die letzte Deckenecke ihr passendes Stück. Währenddessen begibt sich ein Teil unsere Gruppe auf den Weg durch das Dorf hinauf zur Schule. Johanna will dort zum Vorstellungsbesuch antreten und wir den Lehrer und seine Frau begrüßen. Cristina hat beiden schon berichtet, dass sie bald eine neue Schülerin bekommen werden. Als wir in den Raum treten freuen sich Lehrer und Schüler in ungewohnter Harmonie. Der Frust des Lehrers über den unregelmäßigen Schulbesuch und die mangelnde Aufnahmefähigkeit seiner Schützlinge weicht für einen Moment. Wir stellen Johanna vor und die Kinder müssen lachen als wir ihnen erklären, dass sie in Zukunft nicht nur Schüler sondern selbst auch Lehrer sein werden, weil die neue Schülerin Johanna ihre Sprache erlernen möchte. Das gleiche passiert noch einmal in der gemischten Kindergarten- und Vorschulgruppe. Es deutet sich für alle ein spannendes Erlebnis an. Mit einer Tafel Schokolade für jeden verabschieden wir uns, nicht ohne die Kinder in die Kirche und zum Essen einzuladen.

Wir steigen noch ein Stück weiter den Berg hinauf, während uns Petronella mit ihren beiden Kleinen entgegen kommt. Wir kennen sie seit ihrer Grundschulzeit und erinnern uns gern an viele Begegnungen. Sie lädt uns ein zum Besuch in ihrem Häuschen. Einige Möbel sind seit dem letzten Jahr dazu gekommen und wir erkennen manches wieder. Ihr Mann ist irgendwo auf dem Feld unterwegs in der Hoffnung, mit etwas Geld oder Kartoffeln wieder nach Hause zu kommen. Es ist schon ein kärgliches Leben hier oben. Der Weg herauf markiert sich nur durch das ständige Begehen und wir wagen heute nicht, an den Winter mit Schnee und Glatteis zu denken. Gleichzeitig, so erfahren wir, ist es für das Dorf die Rodelbahn.

Wir nehmen rückwärts die kurze Umleitung um das Dorf herum. Als wir Johanna einiges über das Leben in diesen Hütten und den Menschen darin berichten wird sie merklich ruhiger. Sie sieht das zum ersten Mal und erinnert sich an Erzähltes in Deutschland. Hier davor zu stehen und den Menschen in die Augen zu sehen, das ist dennoch etwas vollkommen anderes und schneidet oft tief ins eigene Herz. Immer von neuem treibt uns die Frage um, was w i r tun können und wie Hilfe richtig geschieht. Mit überflüssigen Transporten sicher nicht, wohl aber die wirklichen Bedürfnisse erforschend und uns selbst immer neu hinterfragend. Alte und Kinder sind die absolut Benachteiligten in jeder Hinsicht. Wie waren die Jahre der Eltern und wie wurden sie geprägt? Oft verbrachten sie ihre Kindheit und Jugend in Kinderheimen, wohlgemerkt in rumänischen! Wie ermöglicht man hygienische Standards ohne eine einigermaßen begehbare Toilette oder ein separates Bad? Wie gewöhnt man Eltern und Kinder daran, Verantwortung füreinander zu übernehmen? Wie ermöglicht man die Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Essen und Trinken ohne die permanente Abwechslung von Kraut, Kartoffeln und Weißbrot? Natürlich überlebt man auch damit, jedoch wie!?

Hoffnung schöpfen wir im Weitergehen, vorbei an etlichen im Bau befindlichen oder teilfertigen Häusern. Die im Ausland bei der Ernte oder anderen Tätigkeiten erworbenen Gelder haben viele der Bewohner zu investieren gelernt. Das sind echte Fortschritte, von denen selbst wir vor 10 Jahren nur zu träumen gewagt hatten. Als Cristinas Familie die ersten Spatenstiche für ihr Haus begannen, wurden sie auf Grund der Größe der Fundamente und ihres Mutes ausgelacht. Doch jeder, der das Dorf verließ und nach Hause zurückkehrte, musste zwei Mal daran vorüber gehen. Das hinterließ Spuren. Heute lacht längst niemand mehr. Viele gehen ein und aus und haben selbst zu bauen begonnen, jeder von ihnen im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Wir fahren ins Nachbardorf um Johanna bei der Ärztin vorzustellen. Unterwegs laden wir eine Mutter mit dem einige Monate alten Baby ein. Es wirkt apathisch. Cristina erkundigt sich, die Mutter will versuchen, Medikamente für sich zu bekommen. Cristina rät, dringend mit dem Kind zum Arzt zu gehen. Nach längerer Wartezeit im Vorraum der Ärztin, über alle Probleme vorher befragter Patienten, durch die dünne Tür bedingt, informiert, treten wir ein. Wir stellen Johanna vor und beraten den Fall eines eventuellen Bedarfs der ärztlichen Hilfe und deren Abwicklung mittels der für sie bestehenden Versicherung. Im Hintergrund ballert der Kachelofen. Dessen Rohr, durch das mit Steinwolle ausgestopfte Fenster gesteckt, leitet den Qualm nach draußen. Cristina erfuhr im Vorraum von anderen Wartenden, dass die Ärztin oft vom eigenen Geld Dinge kauft, um Patienten zu helfen. Sie fragt nach Abschluss unseres Gesprächs bei ihr nach und bietet Hilfe an. Die später eintreffende Liste arbeiten wir gern ab, bekommen wir doch mit den unterschiedlichsten Verbrauchsmaterialien hierfür treue Unterstützung. Wir verabschieden uns und sehen den weiteren Einkäufen in Hateg, der jeweiligen Veranlagung entsprechend, mit gemischten Gefühlen entgegen. Doch das Essen für die Kinder verlangt nach Beschaffung.

Die Preise und Qualitäten vergleichend, besuchen wir die Orte unseres Verlangens mehrfach. Zwischdurch bittet uns vor dem Penny-Markt ein etwa 10-Jähriger für seine Geschwister um einen Liter Milch. Wir kennen ihn vom letzten Jahr, fragen aber dennoch nach, wo er wohnt. Er beschreibt den Platz und wir wissen um die Familie, die in dem einen Garagenkomplex gleichenden Viertel lebt. Im Geschäft füllen wir zwei große Tüten, nicht nur mit Milch. Als wir sie ihm geben und mahnen, damit gleich nach Hause zu gehen, versichert er uns, umgehend alles zu Hause zu teilen. Viele Dankesworte rufend, läuft er dem Stadtrand entgegen. Dass ein Junge dieses Alters in Europa um einen Liter Milch für seine Geschwister bittet, muss erst einmal kleingekaut, runtergeschluckt und verdaut werden.

Einen großen Sack Kraut auf dem Rücken, mehrere Tüten Gemüse, zwei Beutel Fleisch und so manches mehr transportieren wir nach der mehrstündigen Tour durch die Stadt endlich zum Auto und sorgen damit am nächsten Tag für Beschäftigung in der Damenbrigade. Doch auch die Herren sind mit Spachtelarbeiten an Decke und Wänden des Neubaus beschäftigt. Zwischendurch erfahren wir von der Mutter des Babys, dass der Arzt Fieber festgestellt hatte. Sie braucht dringend eine Sondernahrung, und Medikamente, denn das Kind war erst vor kurzem nach einer Darmperforation aus dem Krankenhaus entlassen worden. Immer noch ist der Stuhl viel zu fest. Wir geben Ernährungstipps mit einfachen Mitteln und das Geld für dringend benötigte Medikamente, ohne dass die Mutter darum bat. Wir wissen um ihr fehlendes Einkommen.

Überall gibt es kleine Reparaturen und Nacharbeiten und keiner klagt über Langeweile. Vor dem Haus warten die Kinder und verlangen nach Gesellschaft unsererseits. Johanna steht auch zur Verfügung. Sie erlebt so die ersten Kontakte und lernt schnell mit ihnen das Zählen. Nach bereits drei Tagen kennt sie viele der Kinder mit Namen. Sie gibt sich ganz in ihre Rolle und füllt sie mit aller Kraft und Freude aus. Es ist ihr anzumerken, dass sie diesen Platz in den nächsten Monaten ganz einnehmen wird, ohne sich vereinnahmen zu lassen. Sie hat Pläne und wird sie umsetzen. Sie wird Gelingendes neu aufnehmen und Irritationen bewältigen lernen. Sie wird Beispiele geben und selbst eines sein, vielleicht ohne es selber zu wissen. Beobachten wir sie in ihrer neuen Umgebung, so erkennen wir das und staunen dabei, wie selbstverständlich sie mit Ungewohntem umgeht. Schon ist es dunkel und die Kinder rennen immer noch ohne Jacken rum.

Am nächsten Morgen laufen die Frauen in der Küche zur Hochform auf. Der Sack Kraut, oder „Kohl“ wie manche sagen (darüber werden wir uns nie einig!), wird zum Salat klein geschnitten. Dabei spüren unsere Damen deutlich ihre Defizite im internationalen Vergleich. Fleischstücken wandern in die Töpfe damit daraus Gulasch entsteht, Pudding wird in kleinen Portionen abgefüllt und Kartoffelbrei gerührt.

Pünktlich beginnt am Nachmittag der Kindergottesdienst. Lauthals singen die Kinder, wissend, dass es in den Texten um den Geber aller guten Gaben geht, während Angelut am Keyboard die Melodien gekonnt vorgibt. Wir verteilen Schokoladen-Euros aus dem Fundus der Spenden. Als dann doch jemand entdeckt, dass er das 2-Euro Stück bekam und ein anderer eines ohne Wert, erklären wir, dass das Wesentliche im Leben nicht die äußere Hülle ist. Im Inneren, zwischen den mit Werten bedruckten Goldpapieren, hat jeder das Gleiche bekommen, besitzt jeder den gleichen Wert. Wenn wir die Menschen mit Gottes Augen besehen, wissen wir, dass nicht der Lebensstil sondern das Herz zählt, und das hat einen immens hohen Wert, egal ob in Lumpen gehüllt oder mit Brokat bekleidet. Das verstehen die Kinder gut und saugen die Botschaft auf wie ein trockener Schwamm. Man spricht zu offenen Herzen und nicht gegen hohe Mauern. Es muss sich bewähren, draußen auf der Straße, zu Hause, in der Schule. Doch ohne den Samen der Erde zum Sterben zu übergeben, führt es niemals zum Wachstum, zur Reife und zu Früchten. Diesen Versuch wagen wir seit vielen Jahren mit ausgesprochen vielen Unterstützern und Förderern unserer Arbeit in Rumänien.

Geordnet geht es im Anschluss zum Essen. Zu erst die ganz Kleinen, dann die Mütter mit den Kleinkindern und zum Schluss die Größeren. Es ist, wie schon die ganze Zeit, schönes und relativ warmes Wetter. Deshalb reichen heute die Stühle, auch wenn es etwas eng wird. Während des Essenausteilens breitet sich in jedem von uns das Wissen um die Erfüllung unseres Auftrages aus. Vor vielen Jahren beauftragt, zogen wir los. Wir fanden Orte und Menschen, von denen wir nichts ahnten. Wir gingen Wege, ohne das Ziel zu kennen, wir stolperten und standen auf, wir steckten fest und gingen trotzdem weiter. Wir erlebten auch Anfeindungen und ließen uns nicht beirren, denn wir wussten um unseren Auftrag und den Auftraggeber. Heute sehen wir Resultate, auch wenn längst nicht alle Fragen beantwortet sind. Dankbar sehen wir auf den Weg zurück, ohne das Vorwärtsdrängen zu vergessen. Was durften wir nicht alles schon erleben – wir wären arm dran, hätten wir das nicht alles mit eigenen Augen gesehen, mit unseren Händen gegriffen und in unserem Herzen aufgenommen und bewahrt. Mancher der Kinder isst zwei- oder dreimal. Beim Rausgehen erhält jeder seinen Puddingbecher.

Wenn wir diesen den Kleinsten reichen, strecken sie ihre Hände weit nach oben und wir müssen uns bücken. Es fällt uns nicht schwer, auch im übertragenen Sinn, denn wir wissen um den Alltag und die Probleme derer, die wir heute verabschieden. Trotzdem haben es nicht nur die Kinder gelernt aufzuschauen, wenn sie den Pudding bekommen. Viele der Bewohner wissen um Hilfe und haben gelernt aufzustehen, ohne das „Aufsehen“ zu vergessen.

Wir machen einen letzten Spaziergang auf der anderen Seite des Flusses. Immer noch klappern die dünnen Bleche der Brücke, setzt man seine Füße darauf. Das Geländer ist nur noch abschnittsweise vorhanden. Es ist ruhig und nur das Plätschern der Wellen erzählt vom Fluss des Lebens und dem Weiterrücken der Zeit. An den einzelnen Häuschen kommen die Menschen uns freundlich entgegen und begrüßen uns. Man spricht über das fehlende Holz zum Heizen im Winter, über das Leben der Kinder und zeigt uns stolz die neugeborenen Hundewelpen. Alles was lebt und atmet lassen wir aber an seinem Platz. Das Leben geht gewöhnlich weiter, hören wir und fragen uns beim Anblick der Katen im Hintergrund manchmal, wie es geht, ohne die Hoffnung aufzugeben.

Der Abend klingt mit Gebratenem und Torte aus, denn Alexandrus Geburtstag musste noch auf diese Weise gefeiert werden. Geld für die Kinderspeisung, für Feuerholz, für Schulbrote, für Liviu den ehemaligen Buchhalter aus dem Nachbardorf und für Cristinas Oma, die weit entfernt mit zwei Hasen das eine Zimmer ihrer Hütte bewohnt, können wir Cristina übergeben. Sie ringen um Worte, sich zu bedanken. Immer wieder bitten sie uns, diesen Dank an Sie alle weiterzugeben, die Sie uns, und damit die Menschen von denen wir berichten, unterstützen.

Der nächste Morgen bringt den Abschied. Auch Mutter und Tochter verabschieden sich, denn Johannas Platz im Auto bleibt leer, das ist ungewöhnlich und passiert zum ersten Mal. Doch sie wird ihren Platz in Balanu voll und gut einnehmen – nein, sie hat ihn bereits fest eingenommen, ab heute auch „ihr“ Zimmer und Bett. Sie ist angekommen in Balanu. Wir reisen ab und Taschentücher tun ihren Dienst. Wir haben ihn getan und Temeswar erwartet uns.

Die Abschiedshühner sind präpariert und während wir eine kurze Pause einlegen und jeder seinen Gedanken Raum lässt, beginnen sie zu schmoren. Abschalten, nein! Umschalten, ja! Vieles liegt wieder hinter uns, doch wir denken schon wieder nach vorn. Oft ertönt das Martinshorn vorüber fahrender Krankenwagen und geben uns ein Gefühl zu Hause zu sein, auch hier in dem einer Jugendherberge gleichenden Zimmer. Das versteht nicht jeder. Auch auf dieser Reise erlebten wir vieles Ungewöhnliche und vieles Gewöhnliche begegnete uns ganz neu.

Der Morgen bringt auch den Abschied von Familie Kovacs näher. Wir verabschieden uns und fühlen uns immer willkommen, auch ohne volle Autos. Wir reisen ab und immer noch suchen die Tauben nach einem Eingang im Turm, doch vergeblich. Es ist wie im Leben, es gibt offene und verschlossene Türen.

Wir bemühen uns, Ihnen als Mitarbeiter, als Helfer und Förderer, als treue Spender und Beter, wiederum einen Einblick zu geben in das Geschehene, wofür Sie sich zu helfen entschieden haben. Doch es ist immer nur wie ein Blick durch das Schlüsselloch.

Johanna wird wesentlich mehr erleben und erfahren als wir alle, denn sie steht mit beiden Beinen dort im Leben drin. Alle Gewohnheiten zur Seite räumend, hat sie sich auf Außergewöhnliches eingelassen. Auch ist es ein großer Unterschied zu anderen Stellen dieser Art, dort zu sein, wo sie ohne jegliche Sprachkenntnisse, ein Leben kennen lernt, das sie nie in ihrem Leben vergessen wird. Es wird sie prägen, Tag für Tag, es wird sie formen, doch immer zum Guten. Gemeinsam mit Ihnen allen und mit uns hat sie es gewagt, die Hände aus den Taschen zu nehmen und anzupacken. Nicht auf diejenigen einschlagend und schimpfend, die versuchen ein Stück des Wohlstandes unseres Landes zu erhaschen, sondern denen die Hände zu reichen und ein Stück Hoffnung und Zuversicht auf ein Leben in ihrer Heimat zu vermitteln. Das ist gelebte Nächstenliebe ohne große Worte drum herum.

 Auch in ihrem Namen, im Namen derer, von denen wir berichteten oder auch von denen, die ungenannt Ihrer Unterstützung teilhaft werden, und natürlich in unserem Namen, danken wir Ihnen von ganzem Herzen. Der Lkw ist inzwischen auch angekommen und mit ihm Hilfsgüter jeglicher Art. Viele Dankesgrüße für alles bekommen wir bis nach Deutschland am Telefon übermittelt mit dem Auftrag, es Ihnen weiterzusagen.

Einst baute ein Mann auf trockenem Land und bei Sonnenschein ein Schiff. Seine Familie half ihm und wurde gerettet, weil der Auftraggeber um Seinen Plan für sie wusste und die Menschen vertrautem ihm. Für andere völlig unverständlich, begannen sie Ungewöhnliches. Als der große Regen kam überlebten alle, die mit angefasst hatten.

Gebe es Gott, dass Menschen Hoffnung gewinnen und ihr Leben anpacken, damit es im Außergewöhnlichen gelingt, vielleicht auch bei Ihnen. Wir sind darüber dankbar, Sie als einen Teil unserer „Familie“ zu wissen und vielleicht hören wir ja in einem Jahr wieder voneinander.

 

 

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