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Oktober 2017

...dass ich ein Licht anzünde

Der November mit seinen grauen Tagen hat uns eingeholt. Hinter uns liegen fast zwei Wochen in Rumänien mit prall gefülltem Programm und Tagen. „Ich weiß gar nicht was und wie ich das erzählen soll.“, meinte einer der fünfköpfigen Gruppe. Die Vorbereitungen dazu begannen schon mit dem zurückliegenden Jahreswechsel.
Abgesehen von gewachsenen persönlichen Freundschaften bewegen uns immer die Fragen der sinnvollen Gestaltung unserer Aktionen unter den Aspekten der Effizienz und Nachhaltigkeit im Umgang mit Spenden jeglicher Art. Ziel ist immer eine Unterstützung und Förderung der Menschen mit dem Ziel einer Entwicklung hin zur Selbständigkeit unter Abwehr von existenziell gefährlichen Schieflagen. Im Blickwinkel dieser Vorlagen fiel dann im Januar die Entscheidung, die nunmehr 15-jährige Arbeit in Balanu weitestgehend zu beenden. In dieser Zeit haben sich die Konditionen für die Bewohner zum großen Teil grundlegend zum Besseren entwickelt. Löcher gibt es immer und überall zu stopfen, doch genau das ist nicht unser alleiniger Anspruch. Nicht zuletzt durch die Wahrnehmung von Arbeitsmöglichkeiten im Ausland durch viele Bewohner des Ortes ist die Lebensqualität gestiegen. Wir schufen verbesserte Konditionen, die Andere zu eigenständigem Handeln anspornten. Ohne Zweifel halten wir weiterhin Kontakt und können mit Hilfe einer gezielten Zuwendung die Kinderspeisung während der Wintermonate finanzieren.
Neugierig auf eine neue Aufgabe streckten wir die Fühler aus und wurden fündig. Wir sprachen mit dem neuen potentiellen Partner, planten, organisierten, packten und starteten am Morgen des 17. Oktober. Bis zur Abfahrt bleiben immer die gleichen Fragen: Bekommen wir alles geladen? Sind die Fahrzeuge zu schwer?

Was bleibt hier und was muss noch mit? Doch nun ist alles entschieden und wir quälen uns genervt mit den beiden Transportern im kleinsten Gang durch die Baustellen der Autobahn bis es mal wieder schneller voran geht.
Am Pfarrhaus im 1200 Kilometer entfernten Temeswar angekommen, wird im Moment unserer Ankunft eine größere Parklücke für uns frei. Die Bauplanen und das Gerüst am Pfarrhaus zeigen, dass der Bauverlauf voran geht, nachdem der Putz vor vier Jahren abgenommen wurde. Pastor Kovacs begrüßt und empfängt uns trotz des noch laufenden letzten Barockkonzertes der jährlichen Herbstreihe draußen, während er in der Kirche gesucht wird. Die Ladung für Temeswar und für das Kinderheim in Jimbolia wird ausgeladen, denn dieses wollen wir erst nach unserer Rückkehr hierher besuchen. Für uns genügt das kleine Gepäck, denn wir schlafen hier nur eine Nacht. Unsere beiden Erstreisenden lernen die Herzlichkeit des Empfangs kennen. Wenn wir an diesem Abend von Bodo reden, dann meinen wir nicht unseren Ministerpräsidenten, sondern ein Dorf nahe Lugoj. Pastor Kovacs hat uns vor einigen Monaten auf das Dorf aufmerksam gemacht. Er kennt den zuständigen Pfarrer und sein Anliegen, dort etwas aufzubauen. Nun war es bald soweit, damit zu beginnen.
Nach dem Frühstück am Morgen steigen wir in die Autos und erreichen nach einer Stunde das Pfarrhaus im Nachbardorf Tipari, dem Sitz des Pfarrers.
Vor knapp vier Jahren übernahmen sie die Pfarrstelle der Reformierten Kirche mit den beiden Gemeinden. Neben der Gemeindearbeit warteten Bauarbeiten an Kirche und Pfarrhaus.
Die sehr bescheiden eingerichtete Wohnung gleicht in Teilen noch einer Baustelle. Wir stellen uns vor und lernen uns persönlich kennen. Der Pfarrer berichtet von seiner Tätigkeit und schnell erkennen wir, wie wichtig es ihm ist, den Menschen nahe zu sein, zu helfen und Gemeindeleben aufzubauen. Eigenes steht da weit zurück. Seine Frau kommt nach Hause und begrüßt uns, jedem verständlich, in deutscher Sprache. So klein sie auch ist, trägt sie die Last des Pfarramtes mit großer Kraft gemeinsam mit ihrem Mann. Hinter dem Haus tummeln sich Hühner und in Ställen Kaninchen. Eigenversorgung erspart
Ausgaben und die müssen gering gehalten werden, dass erkennt jeder. In Tipari, wo sie zu Hause sind, trägt ihre Arbeit erste Früchte. Das Sorgenkind ist Bodo, das Nachbardorf. Wir fahren hin.
Ein altes Pfarrhaus wird für die nächsten Tage unser Zuhause. Mit dem Wegzug vieler Bewohner ist die Bevölkerung geschrumpft und das dörfliche Leben nahezu erstorben. Zwei kleine Läden und in einem eine dazugehörige kleine Kneipe sind die einzigen Kommunikationspunkte des Dorfes für diejenigen, die sie aufsuchen können. Von Anbeginn seiner Tätigkeit ist es der Herzenswunsch des Pfarrers, der Gemeinde und dem Dorf wieder Leben einzuhauchen. Es gibt neben den mehr und mehr allein lebenden alten Leuten auch junge. Kinderfreizeiten im Sommer sind gut besucht und der Hunger nach Gemeinschaft schwebt wie eine Glocke über dem Dorf. Die Vereinsamung lähmt, denken die Bewohner an frühere Zeiten zurück. Resignation ist die Folge und ihr etwas entgegen zu setzen ist ein ehrgeiziger Plan, eine Vision, die der Pfarrer und seine Frau schon einige Jahre in sich tragen. Aber wenigstens hat er eine solche und viele Dinge im Leben entstehen, weil es Menschen gibt, die Träume und Visionen haben.
Jetzt stehen wir mit unseren Autos voll mit Elektromaterial und anderen Dingen auf dem Hof und wollen damit beginnen, den Traum in die Realität umgestalten zu helfen, trotz unseres ganzen Unvermögens. Ein Same ist gesät, denn eine kleine Gemeinde versammelt sich im Gemeinderaum des Hauses regelmäßig jeden Sonntag zum Gottesdienst. Samstags und in den Ferien treffen sich Kinder und verbringen unter Anleitung des Pfarrerehepaares gemeinsame Zeiten. Die Materialien dafür kaufen die beiden aus ihrem bescheidenen Privatbudget. Die Kerze glimmt noch ein wenig und wir wollen dabei helfen, dass sie in diesem Dorf wieder für Licht und Wärme sorgt. Im Sommer entwickelte der Pastor ein Nutzungskonzept für das Haus mit den fünf großen Räumen, einem Badezimmer und einem Nebenraum. Morgen soll der Startschuss zum Ausbau fallen.
Wir entladen das Auto, sortieren und versuchen uns einzurichten. Ibi, die gute Seele des Hauses, hat das Bettenlager vorbereitet und für jeden vier bis fünf Matratzen oder Schaumgummiplatten übereinander zu Betten formiert und bezogen. Sie wird uns in den nächsten Tagen noch oft besuchen und helfen. Am Nachmittag kommt der Dachdecker. Es war klar, dass das Dach nicht zu halten war. Er kalkuliert und es ergibt sich, dass die von uns angedachte Summe reicht und noch etwas Geld für die weitere Sanierung der Küche übrig bleibt. Wir übergeben es dem Pfarrer und seiner Mitarbeiterin, nachdem sie die Sprache wieder gefunden hatten, denn damit hatten sie nicht gerechnet.
Gegen Abend trifft sich der Vorstand der Gemeinde. Pastor Kovacs kommt aus Temeswar. Wir kennen uns schon viele Jahre und so übernimmt er den ersten Teil unserer Vorstellung und berichtet über unsere Arbeit aus dieser Zeit. Da alle Beteiligten Ungarn sind, verstehen wir außer unserem Namen kein Wort. So war es vereinbart. Wer wir sind, wie wir arbeiten, sind wir zuverlässige Partner, besitzen wir fachliche Kompetenzen, können wir uns in Situationen hineinversetzen oder gehen wir eigenen Plänen nach. Für die Leute sind das alles ungewohnte Töne, denn noch nie kam jemand von außerhalb, um nur zu helfen. Dann sind wir an der Reihe uns vorzustellen. Natürlich verstehen auch alle rumänisch und so berichten wir an Hand von Bildern aus der Arbeit der vergangenen Jahre in Balanu. Wir wollen abgeben von dem was uns geschenkt ist, unsere Möglichkeiten mit anderen teilen, helfen, wo allein nichts wachsen kann und miteinander Träume Realität werden lassen. Wir bemühen uns, Menschen am Rand der Gesellschaft zu erreichen, wollen in ihnen die Hoffnung wecken, dass noch lange nicht alles aussichtslos ist, auch wenn dunkle Wolken die Sonne in ihrem Leben verdecken. Nicht aus eigener Kraft ist uns solches möglich. Auf die Hilfe und den Segen unseres Gottes vertrauend und mit der Unterstützung vieler Helferinnen und Helfer unserer Umgebung zu Hause haben wir Berge weichen und Früchte reifen sehen, wo es vielen unmöglich erschien.
In Bodo soll Gemeinschaft möglich sein und dazu wollen wir die Konditionen verbessern und schaffen, nicht nach unseren Vorstellungen, sondern mit den Menschen vor Ort zusammen. Und das soll morgen beginnen. Vielleicht bringt es auch Unruhe, Unsicherheit Altes aufzukündigen, die Herausforderung sich selber einzubringen. Vielleicht ist es der Anstoß, die Tristesse hinter sich zu lassen und aufzubrechen. Natürlich bleiben Fragen offen, denn Vertrauen muss wachsen, über Jahre. Es braucht auch Zeit. Wir gehen in die Küche und reden über das Wie und Wo einer Umgestaltung. Eine der vier Türen muss zugemauert werden, Fliesen werden fallen und die neue Elektroanlage soll, nach zwei Tagen fertiggestellt, der Beginn der Umbauarbeiten durch die Gemeinde sein. In Gedanken sehen wir schon die fertig umgebaute Küche vor uns.
Nach dem Frühstück am Morgen des neuen Tages dauert es nicht lange, bis der Bohrhammer und andere Maschinen zu hören sind. An Staub und fallenden Putzstücken mangelt es nicht. Der Pfarrer kommt aus der Stadt und bringt den nötigen Gips. Während sich die eine Brigade um die Küche kümmert, beschäftigt sich die zweite mit dem Flur. Irgendwie muss der Strom, später durchs ganze Haus verteilt, seine Aufgaben erledigen. Von der alten Anlage bleibt dann nichts übrig.
Die neue Leiter und der Staubsauger waren nicht umsonst im Gepäck und bewähren sich im Einsatz. Da das Dorf wirklich wie auf dem Feld abgestellt wirkt, war es dringend erforderlich, alle Materialien und andere nötige Dinge mitzubringen. An fehlenden Kleinigkeiten darf nichts scheitern. Allein die Wand ist zu dick für unseren Bohrer und das kostet neben der Geduld dann eben auch Zeit.
Am Nachmittag kommt der Pfarrer mit seiner Frau. Wir wollen mit ihm einige Leute im Dorf besuchen. Vorher zeigen wir ihnen die mitgebrachten Dinge. Der Laptop und die große Leinwand kommen bei Filmabenden, die er plant, zum Einsatz. Seiner Frau können wir einige große Kartons mit Bastel- und Malutensilien unterschiedlichster Art übergeben. Sie ist glücklich - auch darüber, es nicht mehr selbst bezahlen und besorgen zu müssen. Nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit werden sich die Kinder damit beschäftigen können. Bezüglich der Besuche kommt der Gedanke auf, eine junge Frau aus dem Dorf zu fragen, ob sie uns begleiten würde. Wir kennen sie aus dem Gemeindevorstand und sie lässt sich nicht lange bitten. Sie erzählt, dass sie beim Kinderschutz arbeitet und macht einen sehr kompetenten Eindruck. Sie sieht die Chancen für gute Gemeinschaft, ist doch im Dorf selbst gar nichts los. Das Haus hat Potenzial und sie versteht, um was es geht. Ein Anlaufpunkt für alle Altersgruppen soll hier entstehen, für Gemeindearbeit und Freizeitgestaltung, für Leute, die das Haus kennen und für Außenstehende. Sie ist bereit mitzuarbeiten und dem Pfarrer auch Arbeit abzunehmen. Sie sagt es nicht nur, sondern steigt nach dem Gespräch sofort mit ins Auto ein, um mit dem Pfarrer und uns Leute zu besuchen.
Dann treffen wir sie - diejenigen, die am Rand der Gesellschaft leben. Manchmal sieht der Giebel ihrer Häuser zur Straße noch stabil aus, manchmal können wir nicht glauben, dass dahinter noch jemand den Mut hat, sich aufzuhalten. Eine Familie mit vier Kindern versinkt im Chaos, sie bräuchten Begleitung. Ein psychisch Kranker mit Mitte vierzig, der aber zwanzig Jahre älter aussieht, lebt mit seiner älteren Schwester im Haus. Sie ist unterwegs. Zwei kleine Räume ihres Hauses sind noch einigermaßen bewohnbar. Eine ältere Dame will uns nur im Hof empfangen, weil sie ihre Lehmhütte niemandem mehr von innen zeigen kann. So etwas kommt schon selten vor. Mit einem ihrer Söhne lebt sie in der fast zusammenbrechenden Behausung, von der man zuletzt vermutet, dass es ein Wohnhaus ist. Sie bekommt keine Rente. Beide leben von den Einkünften, die der Sohn durch das Hüten der Kühe mit nach Hause bringt. Als wir nach Medikamenten fragen, bleibt ihr nur zu klagen. Schmerzen gibt’s genug. Bei der Frage nach dem Feuerholz für den bevorstehenden Winter rollen dann die Tränen, sie darf nicht dran denken, meint sie.
Der Nachbar unserer jungen Begleiterin ist unterwegs, um Brot zu holen und seine Frau lässt uns herein. Das Ehepaar ist längst im Rentenalter und genau so alt oder älter sind die wenigen „Möbel“, wenn man Tisch und Stühle noch so bezeichnen will. Die junge Frau schaltet den Fernseher aus, auf dessen Bildschirm mehr Rätsel als klare Konturen flackern. Ihrem Mann geht es nicht gut mit dem offenen Bein. So groß wie eine Kinderfaust ist die Wunde, erzählt sie auf Nachfrage. Kein Jammern und kein Klagen. Wir fragen nach Medikamenten und Verbandsmaterialien und sie bringt die kleine Tüte. Eine Binde, eine fast leere Tablettenschachtel und ein Flasche Desinfektionslösung von der Größe uns bekannter Kosmetikproben fallen auf das durchgelegene Bett. Die Schmerztropfen sind schon lange alle. Alles zusammen ist zu teuer, um es von der kleinen Rente, die er nur bekommt, bezahlen zu können. Wir wollen genauer wissen wie viel es kostet, mit den Schmerztropfen, denn die Wunde reicht bis auf den Knochen. Dann ist klar, dass sie die 16 Euro monatlich nicht aufbringen können. Wir sagen zu, alles für ein Jahr zu bezahlen. Jemand muss sich kümmern. Arztbesuche, Medikamente kaufen, hinsehen, dass es ordentlich verbunden wird, die junge Frau sagt sofort zu. Wir fahren zum Gemeindehaus zurück.
Es waren Begegnungen, die in uns viele Erinnerungen aufsteigen lassen. Die Bauarbeiten laufen planmäßig, aber das wird nicht alles sein, was uns in der Zukunft in Bodo beschäftigen wird. Die Menschen sind es, die ohne Chance auf positive Veränderung, ein Leben leben, dass uns durch den kurzen Moment des Hinsehens erstarren lässt. Doch in dieser Starre verbleiben wir nicht lange und überlegen, welche Schritte helfen könnten. Natürlich sind es die Medikamente oder das Feuerholz oder… Und genau das erledigen wir auch und lassen dem Pfarrer dafür Geld da. Aber da geht noch mehr. Solche Leute einmal zum Kaffee oder Tee einladen, sich mit ihnen unterhalten oder ihnen einfach die Teilhabe in einer kleinen Gruppe zu ermöglichen, ist nicht schwierig. Für sie würde es aber vieles verändern. Doch noch dröhnt der Bohrhammer. Mehrmals am Tag kommt Ibi und ihre Freundin mit ihr. Sie versorgen uns über die Maßen mit Gekochtem und Gebackenem. Sichtlich erfreut nehmen sie Anteil am Baugeschehen. Ungewöhnlich erscheint es ihnen, dass wir selbst auch den Bauschutt und Schmutz beseitigen.
Am zweiten Tag geht es in gleicher Weise weiter. Inzwischen ist das Baugeschehen Dorfgespräch. Nur die Frage, wer uns für die Arbeit bezahlt, die kann niemand beantworten. Wir sind gut vorangekommen.
Gegen Abend verwandeln die beiden Frauen draußen des Pfarrers Hühner im Kessel zu einem wohlschmeckenden Gulasch. Wir bestehen darauf, dass die Köchinnen mit uns essen. Wir schmieden die Pläne weiter und besprechen die Einrichtung. Es stellt sich heraus, dass nicht nur die Hühner vom Pfarrer stammen, sondern auch das Geschirr und alles andere, was wir benutzen, vom ihm oder von ihnen hergebracht wurde. Nach unserer Abreise werden sie all diese Dinge in den Kartons von uns finden und im Nebenraum in die neuen Regale räumen können. Während des Essens kommen Gemeindeglieder und begrüßen uns, erfreut über die Umsetzung der Pläne des Pfarrers. Er hat seine Vorbereitungen zu den am Wochenende bevorstehenden Dorftagen in der Nachbargemeinde unterbrochen. Unsere Arbeiten sind abgeschlossen und wir erläutern ihm die Details der neuen Elektroanlage.
Er hat den Vorstand noch einmal zusammengerufen um vorzustellen, was erreicht ist. Im Unterrichtsraum hatten geduldige Hände eine neue Tischtennisplatte zusammengebaut. Zwei der Männer aus dem Vorstand greifen jetzt zu den Kellen und beginnen vergnügt diese einzuweihen. „Das letzte Mal habe ich das vor dreißig Jahren im Kinderheim gespielt!“, erklärt uns einer der Beiden mit leuchtenden Augen. Im Gemeinderaum ringt der Pfarrer mit dem Vorstand nach Worten des Dankes uns gegenüber. Er kann es nicht glauben, dass das, worauf er Jahre gehofft hatte nun Form annimmt. Bis zum nächsten Besuch wollen sie alles Weitere realisieren, was in der Folge anliegt. Sie wissen sich gefunden, beschenkt und ermutigt. Hoffnung keimt nun und bricht sich Bahn, wartend auf Wachstum und Reife. Jeder von uns bekommt ein kleines Geschenk zum Dank und ein gemeinsames Gebet beschließt das Zusammensein. Draußen ist es dunkel. Sie zeigen uns noch die Kirche von innen, denn das war bisher nicht zu schaffen. Ein letzter Abschied zeigt, dass es schon schwer fällt, wieder zu gehen. Intensive Tage liegen hinter uns, die zusammenschweißten im Wissen um einen gemeinsamen Weg, den wir antraten.
Zum Abschiedsfrühstück kommen die beiden Freundinnen auf einen letzten Kaffee, bevor unsere Transporter vom Hof in Richtung Hunedoara rollen.
Nach knapp zwei Stunden treffen wir Familie Filip in Hunedoara. Im Garten gibt’s Kaffee und Cola, das Wetter macht’s möglich. Wir laden die Autos aus und um und schlüpfen wieder in die Arbeitskleidung. Cristi mit seiner kleinen Familie wartet am Ende des kleinen Dorfes am Rand der einstigen Industriestadt. Im Sommer baute er eine kleine Küche an und wir versprachen, für die nötigen Elektroanschlüsse zu sorgen. Seine Vorbereitungen und unsere Erfahrungen auf diesem Gebiet begrenzten die Schwierigkeiten, rumänische und deutsche Standards zu kombinieren.
Ein Teil der Gruppe genießt mit Alexandru eine Schlossführung im riesigen Huyadencastel und eine Stadtrundfahrt. Interessant für Erstreisende ist immer eine Runde durch ein Reich der Träume - in Form von Roma-Palästen. Marmorverkleidete Mehrgeschosser, Dächer und Türmchen versehen mit kunstvoll ausgestatteten Accessoires aus Zinn und Zink bringen zum Staunen. Der Glaube, dass es Ergebnisse ehrlicher Arbeit sind ist nicht sehr ausgeprägt. Es gesehen zu haben lohnt sich, erinnert es an Geschichten aus dicken Märchenbüchern. Cristis Familie freut sich über die kleine Küche, die nun funktionstüchtig ist. Wir verabschieden uns von ihnen und verbringen den Abend bei Alexandrus Familie.
Der Plan mit dem eigenen Taxi ging im Sommer auf. Wir finanzierten ihm den Start und er zahlt heute den einen vereinbarten Betrag zurück. Auf diese Weise gelang ihm nach vielen Jahren und Mühen der Schritt zu einer eigenständigen Tätigkeit. Die fehlende Infrastruktur macht auch in dieser Stadt das Taxi unabkömmlich. Er hat gute Kunden und bedient sie mit einem penibel sauberen Fahrzeug zu jeder Tages- und Nachtzeit. Am Abend und am Morgen ist der Tisch reich und mit allem Erdenklichen für uns
gedeckt. Es ist ihre Art, sich für die Hilfe zu bedanken und sie bitten uns, den Dank allen weiterzusagen. Wir verabschieden uns.
Am Sonntag, sind die Straßen nicht sehr belebt und das kommt uns recht, liegen doch ca. 700 Kilometer vor uns. Je näher wir dem Ziel kommen, umso trüber wird das Wetter. Es ist schon dunkel als wir nach kurzer Irrfahrt in Suceava die Richtung wieder finden und bald im kleinen Dorf Buda ankommen. Bereits zum dritten Mal begrüßen uns die Freunde und wir sie. Zwei Tage wollen wir uns aufhalten. Das Programm ist eng gestrickt und wir besprechen es mit ihnen. Für morgen ist etwas Erholung angesagt. Ein Besuch von zwei der berühmten Moldauklöster steht auf dem Programm.
Von zu Hause liegen noch drei Päckchen im Auto. Jemand bat uns, diese an Verwandte in Suceava zu überbringen, da sie auf dem Postweg meist nicht an der richtigen Adresse ankamen und somit Unbekannte - vermutlich bei der rumänischen Post Angestellte - erfreuten. Gern übernehmen wir das und bekommen neben Nüssen noch viele Grüße mit eingeladen.
Je höher wir in die Berge fahren umso dichter umgibt uns Nebel. Wir erreichen das Kloster Sucevita und zwei Stunden später das Kloster Moldovita. Die mit Holzschindeln gedeckten Klöster sind Zeugnisse Jahrhunderte alter Baukunst und tief verwurzelter Religiosität. Um die Klöster außen herum gemalte Fresken sind ebenso alt. Sie berichten über biblisches Geschehen und historische Ereignisse. Gleiches trifft auf die damit überreich ausgestatteten Innenräume zu. Man kann die ganze Fülle kaum erfassen und wir versuchen, Einzelnes zu deuten. Auf dem Rückweg halten wir in Marginea. Der Ort ist bekannt für seine Keramikwerkstatt, in der wir den Handwerkern beim Töpfern zusehen können. Wir erfahren, dass ganz in der Nähe nahezu schwarzer Ton gefunden wurde. Er ernährt seit über 400 Jahren die sich damit befassende Töpfergilde. Was früher ausnahmslos Küchen- und Gebrauchsgeschirr war, steht heute meist als Souvenir in den Regalen. Einheimische kaufen es dennoch zum Gebrauch, wie wir beobachten.
Der nächste Morgen beginnt wieder mit dem Packen der Autos. Wir wollen Kleidung, Schuhe und andere Dinge verteilen. Mit unseren Freunden und zwei vollen Transportern bewegen wir uns auf die ukrainische Grenze zu. Unterwegs erfahren wir, dass dort viele Romas leben. Sie sind ins Dorf und in die Gemeinde fest integriert, doch ohne jede Konditionen. Im Dorf Baranca halten wir am Haus des Pastors. Von allen Arbeitsmöglichkeiten abgeschnitten leben die Bewohner des Ortes von Gelegenheitsarbeiten oder von geringen Erträgen aus den kleinen Gärten. Einige sind unterwegs im Ausland und bringen nach Hause, was übrig bleibt. Mit dem Pastor besuchen wir einige von ihnen, um einen Gesamteindruck vom Dorf und den Bewohnern zu bekommen. Wir finden uns zurückversetzt in die Zeit vor 15 Jahren, als wir in Balanu ankamen. Lehmhäuser, kaum eingerichtet, teils offene Herde, Menschen mit Behinderungen, unbefestigte und verschlammte Wege, viele Erinnerungen kommen hoch.
Wir ändern das bisher in diesem Dorf abgehaltene Programm und laden in den Häusern oder auf dem Dorfplatz nichts ab. In der Kirche räumen wir Stühle beiseite, öffnen die nach Größen und Geschlecht sortierten Kleiderkartons und entleeren die ebenso sortierten Schuhsäcke. Am Eingang der Kirche bekommt jede Familie was sie benötigt und nicht mehr. Einiges bleibt übrig für später, ebenso die Lebensmittel und Süßigkeiten. Zu Weihnachten landen sie in Päckchen, für die Familien separat zugeschnitten. So sind wir es gewohnt und praktizieren es genau so weiter. Dem Pastor und den Helfern gefällt das gut.
Bei einem Kaffee in seinem Haus reden wir über Vorgehensweisen von anderen Hilfsgruppen. Wir suchen nachhaltige Hilfsmöglichkeiten. Einige Gruppen aus Deutschland sind ja in der Region bereits aktiv. Wir entdecken Vernetzungen mit Behörden. Ganz eindeutig stellt die Situation in diesem Ort eine Herausforderung dar, jedoch sehen wir Wege, ihr zu begegnen. Klar ist auch, dass wir bereits mit unseren Projekten gebunden sind. Doch wir erklären uns gern bereit, Kontakt zu den anderen Gruppen aufzunehmen, um über effektive Maßnahmen nachzudenken. Die Arbeit der vergangenen Jahre hat uns vieles gelehrt und erleben lassen, wovon wir anderen Gruppen guten Willens gern berichten.
Das Gespräch mit unseren Freunden wird noch nach dem Abendessen fortgeführt. Wir machen Mut zur Koordination im Blick auf Entwicklung. Helfen ist mehr, als Hilfsgüter zu transportieren oder gut gemeinte „Aktionen“ zu starten. Wir hoffen auf Einsicht, für die Bewohner von Baranca.
Der nächste Morgen beginnt nach dem Frühstück mit der Verabschiedung von den Freunden aus Buda. Wir steigen, mit vielen Dankesgrüßen beladen, in unsere Autos und rollen vom Hof in Richtung Temeswar. Wunderschön ist die Landschaft, die der aufsteigende Nebel frei gibt. In der Ferne leuchten die schneebedeckten Gipfel des Calimani-Nationalparkes. Einige Kilometer Autobahn wechseln sich ab
mit den vielen der heute gut befahrenen Landesstraßen. Die Strecke zieht sich über viele Stunden, bis wir wieder im Dunklen am Pfarrhaus in Temeswar wohlbehalten ankommen, Gott sei Dank!
Wieder ist alles anders und doch ist alles wie immer. Wir sind zu Hause und jeder kennt seinen Platz. Gewohnte Rituale nehmen ihren Lauf und wir berichten von den Stationen. Zwei Tage bleiben zur Erholung und Verarbeitung. Für das eine reichen sie für das andere sicher nicht. Stadtbummel, Torte besorgen für das Kinderheim in Jimbolia und am Nachmittag sind wir dorthin unterwegs.
Vorher hat Pastor Kovacs noch drei von sechs Jimbolia-Kindern aus der ungarischen Schule in Temeswar abgeholt. Die drei Größeren bleiben dort im Internat. Die Kleineren pendeln täglich mit dem Zug. Nach einer stürmischen Begrüßung ihrerseits fallen ihnen in unserem Auto schon bald die Augen zu. Eine knappe Stunde dauert die Fahrt. Gern helfen sie beim Ausladen, am liebsten im Bus stehend. Draußen beginnt das Fußballspiel. Drinnen berichten Piroska und Cili, die beiden Schwestern. Die bisherige Lehrerin in Jimbolia hatte die „Heimkinder“ besonders im Blickfeld und ließ ihnen besondere „Zuwendungen“ zukommen. Kein Gespräch half, so erfolgte der Schulwechsel. Bessere Ergebnisse in der neuen Schule bestätigten die Richtigkeit der Entscheidung. Für die Kinder im Alter von 8 – 11 Jahren ist es natürlich mehr als strapaziös, doch nun erleben sie Erfolge, für die sie die Pendelei in Kauf nehmen. Die Probleme mit den Eltern lasten auf den Schultern der beiden Schwestern und sie versuchen die Kinder dabei raus zu halten. Lasten drücken und es tut ihnen gut, darüber zu reden. Mit der neuen Beleuchtung gibt’s Probleme und wieder stehen wir auf der Leiter und versuchen, der Anlage nach rumänischen Standards zur Funktion zu verhelfen. Irgendwann gelingt es, dass der Schalter hält und die den EU-Richtlinien entsprechenden Bettlampen leuchten. Nicht nur die Torte zum Abschluss hält die Erinnerungen an unseren Besuch aufrecht. Pakete von Freunden, Anoraks und andere Kleidung, Schuhe, Mehl, Öl und andere Lebensmittel, Shampoo und Zahnpasta, Süßigkeiten und Spiele bleiben hier. Die Schwestern danken dafür, dass vieles besser, schöner und leichter geworden ist. Das Wissen voneinander und das Beten füreinander sind ihnen zur Kraftquelle im Kampf um das Wohl der ihnen Anvertrauten geworden. Sie winken bis wir um die Kurve fahren.
Am Abend in Temeswar wird uns bewusst, dass nun alle Aufgaben erledigt sind. Den letzten Tag nutzen wir zum Ausschlafen und zu einem Besuch der Gedenkstätte der Revolution, die ja in dieser Stadt begann und sich von hier aus über das ganze Land ausgebreitet hatte. Wir kaufen frisches Gemüse und Käse für zu Hause. Endlich bleibt auch Zeit, die Bauarbeiten zu begutachten. Die Front des Pfarrhauses ist frisch verputzt und beim Schreiben des Berichtes erreicht uns ein erstes Foto von der gestrichenen Fassade ohne Gerüst, endlich. Im Hof sind alte Gemäuer zu neuen Büros umgestaltet und die Bauarbeiten nähern sich auch hier dem Abschluss. Die Vermietung der Räume soll der Gemeinde Einkünfte verschaffen, die dringend nötig sind. Einen kleinen Teil der Kosten können wir begleichen. Der Pfarrer bedankt sich herzlich. An viele Türen hat er anklopfen müssen und viele Anträge schrieb er vergeblich. „Wenn Gott will, dann schaffen wir es. “, das waren nicht nur seine Worte, sondern es war seine Überzeugung. Nun nähern sich die Bauarbeiten dem Abschluss und unser Besuch ebenso.
Zum letzten Abendessen laden wir ihn und seine Frau ein. Immer stand sie für uns am Herd, heute soll sie davon frei bekommen. Anstehende Feierlichkeiten in ihrer Gemeinde forderten sie in den letzten Tagen und fordern sie in den folgenden noch genug. Das erste Auto reist mit den beiden Fahrern bereits an diesem Abend ab. Die Aufgaben in Deutschland warten, fast zwei Wochen Abwesenheit sind für Geschäftsverantwortliche keine Kleinigkeit.
Wir starten nach einer ruhigen Nacht, gut ausgeschlafen nach dem Frühstück. Wieder ist es Samstag und die Straßen sind frei. Temeswar, Bodo, Hunedoara, Buda, Nicani, Baranca und Jimbolia waren nicht nur einfach Stationen unserer Reise. Mit den Ortsnamen tauchen vor uns Namen, Gesichter, Baustellen und Situationen auf, die uns noch lange bewegen. Durch viele Spenden und den Einsatz der Mitfahrenden war es möglich, vieles anzuschieben, manchem zu helfen, einigen zuzuhören und anderen einfach die Hände zu drücken. Unsere wurden oft und sehr herzlich gedrückt und das haben wir gern aufgenommen um es weiterzugeben. Sehen, helfen, hören und reden, aushalten und losgehen, aufnehmen und abgeben - für viele Menschen sind diese Dinge unerfüllbare Träume - uns war es möglich durch die Unterstützung Vieler, durch Bewahrung, Führung und Segen. Wir haben es in der Hand, mit anderen das zu teilen, was uns geschenkt ist. Wir danken allen ganz persönlich und im Auftrag aller, die wir besuchten. „Domnul sa va rasplateasca!“, hören wir immer wieder. „Der Herr lohne es euch!“, wir geben ihren Wunsch gern an Sie alle weiter. Während des Schreibens dieser Zeilen liegt die Advents- und Weihnachtszeit vor uns. Wer mag es nicht, das Licht im Dunklen, das den Raum und den Weg ausleuchtet, das Furcht und Kälte vertreibt und aufschauen lässt. „…dass ich ein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert…“, das kann persönlich gemeint sein und ist es auch. Das Wort fordert heraus und kommt zum Greifen nah. Anpacken ist gefragt, denn die Theorie hilft nicht. Wo es möglich war, haben wir es getan, weil Sie uns dabei halfen. Wir wollen weiterhin solche „Lichtträger“ sein, weil wir um die Quelle wissen. Lassen Sie sich herzlich aufs Neue dazu einladen, nicht nur zu Weihnachten. Danke dafür! Herzlich grüßt Sie im Namen aller Freunde
Albrecht Feige, AK Rumänien Spendenkonto: Evang. Kirchgemeinde Neudietendorf, Stichwort Rumänienhilfe
EKK IBAN: DE72 5206 0410 0008 0200 27, BIC: GENODEF1EK1
 

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